Gestörte Fahrphysik durch Stützräder

Seitlich am Hinterrad montierte Stützräder sollen bei geringfügiger Seitenneigung oder Bodenunebenheiten ein Umkippen vermeiden. So weit so gut. Doch Experten warnen einhellig von der Stützrädermontage, da sie den Lernprozess mehr behindern denn fördern. Die vermeintliche Balancehilfe suggeriert allenfalls trügerische Sicherheit.
Zum fahrphysikalischem Verständnis: Körperschwerpunktverlagerung und geringfügige Lenkkorrekturen erzeugen eine nach außen gerichtete Zentrifugalkraft, die dem Umkippen entgegenwirkt, während bei Kurvenfahrten das Drehmoment der Zentrifugalkraft durch ein Kippmoment kompensiert wird. Anders formuliert: ohne instinktive Einflussnahme des Fahrers würde das Gesamtsystem Mensch / Fahrrad schon nach wenigen Metern Fahrstrecke sein Gleichgewicht verlieren und umkippen.

Da Stützräder eine künstliche – sprich statische - Gleichgewichtssituation des Fahrrades herbeiführen, wirken sich ausgerechnet intuitive (richtige) Körpergewichtsverlagerungen groteskerweise destabilisierend aus. Eben jener Fahrdynamik, denen Fährräder physikalisch unterliegen funken Stützräder empfindlich dazwischen, d.h. sie konterkarieren die Gesetzmäßigkeiten der Fahrphysik.

Beim stützradbefreiten Fahrradfahren wird das Gleichgewicht dynamisch erreicht, d.h. Bewegungen des Rades folgen analoge Gegen- oder Ausgleichsbewegungen welche das Gesamtsystem ausbalancieren. Deshalb erweist sich der „künstlich“ herbeigeführte Kippschutz für das Lernen des Radfahrens als höchst problematisch. Ganz zu schweigen von lauernden Sturzgefahren am Gehsteigrand oder tieferen Straßenrinnen. Eine Geradeausfahrt kommt einem kaum bemerkbaren Pendeln um die Gleichgewichtslage zwischen Kippen und Wiederaufrichten gleich. Bei langsamer Fahrt äußert sich das Pendeln durch starke, abwechselnde Lenkausschläge. Ab einer Geschwindigkeit von 20 km/h nimmt die Bedeutung von ausgleichenden Lenkbewegungen / Körperschwerpunktverlagerungen (Balancieren) ab, da die auf die Laufräder wirkenden Kreiselkräfte das Rad zunehmend stabilisieren, bis  theoretisch freihändiges Fahren möglich wäre. Der Beitrag der rotierenden Laufräder als Kreisel zur Bewegungsstabilisierung unterstützt die nötigen Lenkausschläge.


Je länger das Kind mit Stützrädern radelt, desto mehr verfestigen sich neuronale Verschaltungen aller Bewegungsabläufe – und zwar fehlerhaft. Diese Tatsache macht klar, wie paradox es ist, intuitive Ausgleichsbewegungen erst widersinnig abzutrainieren, um nach Demontage derselben Abgelerntes geduldig wiederzuerlernen. Das stützradgewöhnte Kind lernt also nicht nur das gleichgewichtige Radfahren von Beginn an vollkommen verkehrt, sondern muss später beim Radeln ohne „Pseudo- Stützhilfe“ falsch eingeprägtes Bewegungsverhalten mühsam im Kopf umprogrammieren.