IRONMAN World Championship Hawaii - 6. und 8. Oktober 2022

Gustav Iden hat als erster norwegischer Triathlet den legendären Ironman auf Hawaii gewonnen. Der 26-Jährige setzte sich in einem hochdramatischen Fight mit neuem Streckenrekord in 7:40:24 vor dem Franzosen Sam Laidlow (+1:59 min.) und seinem Landsmann Kristian Blummenfelt (+2:59) durch. Damit unterbot der Norweger nicht nur um sage und schreibe knapp elf Minuten den bisherigen Streckenrekord von Jan Frodeno (7:51:13 Stunden im Jahr 2019), sondern pulverisierte in 2:36:15 Stunden zudem gleich noch den sechs Jahre alten Marathonrekord von Patrick Lange. Der absolute Topfavorit Kristian Blummenfelt schaffte es nach seinem Sieg bei der Ironman-WM in St. George (Utah) nicht, auf Big Island ein weiteres Mal als Weltmeister gekürt zu werden. Der siegverwöhnte Norweger musste auf der Laufstrecke seinen Trainingspartner Gustav Iden (beide aus derselben Heimatstadt Bergen) nach einer Tempoverschärfung ziehen lassen und lief nach dem Überraschungszweiten Sam Laidlow total erschöpft und völlig verausgabt als Dritter ins Ziel. 

Gustav Iden (26), jüngster Ironman-Weltmeister aller Zeiten, Sam Laidlow (23), Blummenfelt als Dritter ((28) und der Vierte, Max Neumann aus Australien (27) unterboten Frodenos Rekord aus dem Jahr 2019. Die vier jungen Wilden - alle unter 30 Jahre alt - läuteten an der Weltspitze des Triathlons einen Generationenwechsel ein. Da das Durchschnittsalter der Teilnehmer des Ironman bisher bei 43 Jahre lag (ältester Finisher Drew Hollander mit 84 Jahren, 2011) bzw. der ältesteste Sieger Craig Alexander mit 38 Jahren (2011) seinen dritten Triumph feierte, ist in der Langdistanz aktuell eine erstaunliche Verjüngungs-Tendenz feststellbar, was in der Fachwelt für verblüfftes Staunen und Stirnrunzeln sorgt.

Im tosenden Beifall lief der amtierende Ironman-70.3-Weltmeister mit norwegischer Fahne jubelnd durch den Zielbogen. Dahinter landeten Laidlow Platz zwei vor Blummenfelt und Neumann, der den Marathon in 2:40:14 Stunden lief und als Vierter ein bärenstarkes Hawaii-Debüt hinlegte.

Nach sechs Triumphen in Folge - seit 2014 hatten sich Kienle, Frodeno und Patrick Lange die Siege aufgeteilt - riss am 8. Oktober 2022 die Siegesserie der deutschen Triathleten. Erstmals seit 8 Jahren gingen die Triathleten aus Deutschland in Sachen Medaillen in Kailua-Kona leer aus. Bester Deutscher wurde Sebastian Kienle, den eigentlich kaum einer so weit vorne auf der Rechnung hatte. Der Ironman-Champion von 2014 trumpfte bei seinem letzten Hawaiirennen bärenstark auf, und wurde hinter den Medaillenkandidaten sowie Max Neumann (AUS) und Joe Skipper (GBR) Sechster. Angesichts der mörderischen Hitze bei extrem hoher Luftfeuchtigkeit sowie seinem langwährenden Achillesfersenproblem ist die Superleistung gar nicht hoch genug einzuschätzen. Nach einer für ihn "mittelprächtigen" Schwimmeinlage lag der sympatische Schwabe in der ersten Wechselzone ziemlich abgeschlagen auf dem ernüchternden 46. Platz. Doch dann zündete der Motor. In seiner Paradesdisziplin startete der als "Überbiker" bekannte Athlet wie so oft eine famose Aufholjagd mit einer Fabelzeit von 4:09:11 (nach Sam Laidlow und Léon Chevalier drittschnellste Zeit bzw. schnellste jemals gefahrene Ironman-Zeit eines Deutschen) und setzte mit einem beachtenswerten Marathonlauf (2:48:45) den Grundstein für das verdiente Spitzenresultat. Trotz bis zu 35 Grad Hitze und 80% Luftfeuchtigkeit knackte das Kraftausdauerpaket bei seinem neunten Auftritt auf Big Island in persönlicher Bestzeit von 7:55:40 zum ersten Mal seiner Karriere die Acht-Stunden-Marke. Bevor er 2023 seine Profilaufbahn endgültig beendet, hinterließ der Hawaii-Abschied als Profiathlet für ihn ein überwältigendes emotionales Momentum.

Das exorbitant gestiegene Leistungsnivau zeigt sich u.a. auch darin, dass Kienle's Finisherzeit von 08:02:04 im Jahr 2019 für den dritten Podiumsplatz reichte, währenddessen er nun bei seinem letzten Auftritt im Mekka des Triathlons trotz 6:24 Minuten schnellerer Zeit dennoch drei Ränge schlechter platziert war. Ohnehin war es das schnellste Hawaii-Rennen überhaupt, bei dem insgesamt 10 Athleten die Acht-Stunden-Schallmauer durchbrachen. Cameron Wurf (AUS) schrammte mit 8:00:51 nur mimimal an dieser magischen Zeitschwelle vorbei, während Florian Angert als Zwölftplatzierter (8:01:53) ohne fünfminütigem Penalty-Stopp, den er als Zeitstrafe wegen vermeintlichen Windschattenfahrens aufgebrummt bekam, darunter geblieben wäre. Wie dem auch sei, was ohne "Fünf Minuten Malus" drin gewesen wäre, bleibt Spekulation, auch wenn für die deutschen Mitfavoriten Patrick Lange und Florian Angert (kam als Erster aus dem Wasser) angesichts der Rekordleistung von Gustav Iden letzten Endes wohl kaum reelle Siegchancen bestanden. Dass am Donnerstag im Frauenrennen die Heidelbergerin Laura Philipp - die als Vierte das Podest um Haaresbreite verpasst hatte - auch zwei Tage danach der Grund für ihre Fünfminutenstrafe vorenthalten blieb, heizte die Gerüchteküche und den Frust im deutschen Lager mächtig an.

Die Leistungsexplosion ist offenkundig wenn man bedenkt, dass gleich vier Athleten den Streckenrekord von Jan Frodeno unterboten und immerhin 11 Athleten (unter Abzug der Zeitstrafe von Florian Angert) in der Lage waren, die 8 Stundenschallmauer zu durchbrechen. Da der zweimalige Champion Patrick Lange erst 2018 (2020/2021 wurde die WM pandemiebedingt auf Hawai gecancelt) als erster Mensch überhaupt auf Hawaii die 8-Stunden-Marke (7:52:39) unterbot, dessen Rekord von Jan Frodeno im Jahr darauf um 1:26 min gebrochen wurde, verdeutlicht die immensen Leistungssprünge innerhalb kürzester Zeit. Dazu gehört auch Sebastian Kienle, dem es im Alter von 38 Jahren ausgerechnet bei seiner "Abschiedsgala" (neunte Teilnahme) erstmals gelang die magische 8 Stundenschwelle zu knacken, und seine persönliche Bestleistung man höre und staune um 6:24 Minuten toppte.

Kollegiales Verhältnis zwischen Spitzenathleten: Gänsehautmoment auf dem Queen K Highway, als Gustav Iden die Führung von Sam Laidlow übernommen hatte und ihm respektvoll einen Klaps auf den Rücken gab. 

Eine faire Geste dürfte als denkwürdige Szene des diesjährigen Rennens hängen bleiben: Handshake zwischen dem späteren Sieger Iden und dem Zweitplatzierten Laidlow. Apropos Sportsgeist: kein Geringerer als der Olympiasieger (olympische Distanz, Peking (2008) und dreifacher Hawaii-Champion Jan Frodeno stellte sich selbstlos in den Dienst des Rennens und mischte sich unter die Volunteers, um die Wettkämpfer anzufeuern und Wasser zu reichen. Wegen einer Hüftverletzung - verbunden mit mehreren Operationen - musste er seinen Start 2022 schweren Herzens notgedrungen absagen. 

Amtierende Rekordhalter

Der Schwimmrekord (46:29 min.) des Deutschen Jan Sibbersen (früherer Profi-Athlet) aus dem Jahr 2018 wurde nicht gebrochen. Dagegen gibt es auf der 180-km-Radstrecke mit dem Franzosen Sam Laidlow (4:04:36 h) einen neuen Streckenrekordrekordhalter (schnellster Deutscher Sebastian Kienle mit 4:09:11 h). Ebenso beim Marathon, wo Gustav Iden in 2:36:15 h die bisherige Bestmarke aus dem Jahr 2016 von Patrick Lange (2:39:45 h) nochmals um 2½ Minuten verbesserte. Zudem schnappte der Norweger (7:40:24) Jan Frodeno seinen dreijährigen Streckenrekord (7:51:13) mit einem gewaltig großen Zeitvorsprung von fast 11 Minuten weg.

Nach starker Laufleistung, in dem er mehrere Rivalen überholte und lediglich Joe Skipper passieren lassen musste, lief der 38-Jährige nach 7:55:40 Stunden als Sechster durchs Ziel. Einziger Wehrmutstropfen war, dass ihm die Teilnahme zur Pressekonferenz (nur für die 5 Erstplatzierten) vorbehalten blieb.

Patrick Lange machte beim Laufen zwar ebenfalls Plätze gut und schaffte es als Zehnter noch in die Top Ten, doch mehr war für ihn einfach nicht drin. In Anbetracht der unrund laufenden Vorbereitungszeit (u.a. Corona-Infektion) ist das Ergebnis für den verletzungsgeplagten Hawaii-Doppelsieger allemal zufriedenstellend.

Florian Angert (Fünfter bei der WM in St. George) verpasste als Zwölfter denkbar knapp eine Top Ten Platzierung. Was für ihn ohne Penalty-Stopp rausgesprungen wäre, wird niemand beantworten können. Der Vollständigkeitshalber: Für Maurice Clavel (Vize-Europameister auf der Mitteldistanz) reichten 8:15:25 Stunden noch zu Rang 23. Andreas Dreitz, der nach seinem Crash in St. George gehandicapt mit einer Wildcard startete, wurde noch respektabler 30.

Ironman-Weltmeisterschaft Hawaii 2022 | Profi-Männer

Platz Name                        Nation              Gesamtzeit    3,8 km Swim  180 km Bike          42,195 km Run

1      Gustav Iden               NOR                 7:40:24        48:23             4:11:06                2:36:15

2      Sam Laidlow              FRA                  7:42:24        48:16             4:04:36                2:44:40

3      Kristian Blummenfelt  NOR                 7:43:23        48:20             4:11:16                2:39:21

4      Max Neumann            AUS                 7:44:44        48:25             4:11:30                2:44:14

5      Joe Skipper                GBR                 7:54:05       52:55              4:11:11               2:45:26

6      Sebastian Kienle         GER                 7:55:40       52:58              4:09:11               2:48:45

7      Léon Chevalier            FRA                 7:55:52       52:54              4:09:05               2:49:28

8      Magnus Ditlev            DEN                 7:56:38       49:49              4:13:38               2:48:11

9      Clement Mignon         FRA                  7:56:58       49:50              4:15:14               2:46:00

10    Patrick Lange             GER                  7:58:20      49:42              4:21:52               2:41:59

12    Florian Angert            GER                  8:01:53      48:15              4:17:58               2:50:29

23    Maurice Clavel           GER                  8:15:25      49:44              4:19:50               3:00:49

30    Andreas Dreitz          GER                  8:27:15       51:38              4:15:29               3:13:32

Überraschungssiegerin bei den Damen

Die 33-Jährige US-Amerikanerin Chelsea Sodaro hat völlig überraschend in 8:33:46 Stunden den Ironman-WM auf Hawaii gewonnen. Eigentlich hatte diese Athletin keiner auf dem Favoritenzettel. Sodaro siegte in 8:33:46 Stunden vor Charles-Barclay (+7:50 min.) und Haug (+8:35 min.). 

Hinter der Überraschungssiegerin lieferte sich Haug ein packendes Duell mit Charles-Barclay, doch trotz des geringen 30 Sekundenrückstands konnte sie die Lücke auf die Britin nicht mehr schließen. Zu den Kommenatoren gab sie ins Mikro: "Ich habe auf dem Rad offenbar etwas zu viel Kraft gelassen", analysierte Haug nach dem Rennen. "Es war sehr hart, so knapp hinter Lucy herzulaufen und nicht ranzukommen. Aber ich bin sehr zufrieden mit meinem dritten Platz.". „Meine Zehen sind völlig geschrottet. Der Körper ist so leer und erschöpft, mag sich einfach nicht mehr bewegen, nur noch schlafen“, sagte die 39 Jahre alte Bayreutherin im Ziel. „Es war hart und brutal. Ich musste so viel Kraft auf dem Rad lassen.“ Trotzdem lief sie beim abschließenden Marathon von Rang sieben auf drei vor - nur für den Sprung nach ganz vorn fehlte zum Schluß einfach die Kraft. 

Anne Haug konnte ihren Sieg aus dem Jahr 2019 nicht wiederholen. Die Bayreutherin musste sich in einem spannenden Kampf der Hawaii-Debütantin Chelsea Sodaro und Lucy Charles-Barclay geschlagen geben. 

Zweitbeste Deutsche wurde Laura Philipp auf Rang vier, die wegen einer Windschatten-Strafe auf der Radstrecke bereits früh um die Chancen auf einen Podiumsplatz gebracht wurde.

Ironman-Weltmeisterschaft Hawaii 2022 | Profi-Frauen

1. Chelsea Sodaro (USA) 8:33:46 Std

2. Lucy Charles-Barclay (Großbritannien) +7:51 Min.

3. Anne Haug (Saarbrücken) +8:36

4. Laura Philipp (Mannheim) +16:45

5. Lisa Norden (Schweden) +20:57

6. Fenella Langridge (Großbritannien) +22:40

7. Sarah Crowley (Australien) +28:12

8. Daniela Ryf (Schweiz) +28:40

9. Skye Moench (USA) +30:45

10. Laura Siddall (Großbritannien) +34:03

 Diskussionswürdige Zeitstrafen

Etwas Wesentliches vorweg: Es zählt sicherlich zum wichtigsten Grundsatz für jeden Wettkampf, dass sich der Triathlet fair und regelkonform verhält. Daran gibt es nichts zu deuteln.

Die Kolumne möchte den Fokus auf verhängte Zeitstrafen lenken, deren mangelnder dokumentarischer Nachweis und fehlende Transparenz häufig zu Diskussionen führt bzw. das Strafmaß als unverhältnismäßig empfunden wird.

Berechtigterweise fordern Experten, Journalisten und nicht zuletzt die Athleten selbst schon länger mehr Transparenz für Zeitstrafen wegen Windschattenfahrens, da sie häufig weder für den Bestraften noch für Trainer, Journalisten, Kommentatoren und Zuschauer nachvollziehbar erscheinen. Ironman-Regularien besagen, dass der Abstand mindestens zwölf Meter bzw. sechs Radlängen zwischen der Vorderkante beider Vorderräder betragen sowie ein Überholvorgang nach 25 Sekunden abgeschlossen sein muss. Außerdem darf der Überholte nicht sofort eine Gegenattacke fahren, sondern erst, wenn der vorgeschriebene Mindestabstand von zwölf Metern wiederhergestellt ist. Abgesehen vom nominellen Zeitverlust hat das Strafmaß für den Geahndeten fatale Konsequenzen, da der Zwangsstopp in der Strafbox zum einen den Rhythmus zerstört, zum anderen der Anschluß zu leistungsstärkeren Athleten verloren geht, der Rückfall in schwächere Gruppen zusätzliche Zeit kostet, eine ausgeklügelte Renntaktik über Bord wirft (Plan B erforderlich!) und die mentale Belastung als Psycho-Hypothek u.U. sogar zur Rennaufgabe zwingt. Summa summarum negative Einflussfaktoren, die den Zeitverlust - neben der eigentlichen Zeitstrafe - zusätzlich potenzieren und somit den gesamten Wettkampf ruinieren. Ganz zu schweigen davon, dass ein Misserfolg die gesamte WM-Vorbereitung zunichte machen kann, finanzielle Nachteile birgt und womöglich sogar den Profistatus gefährdet. 

Umso mehr sollte eine Zeitstrafe gerechfertigt bzw. nachvollziehbar sein. Angesichts der unwägbaren Folgewirkungen auf den weiteren Rennverlauf ist das Strafmaß zwangsläufig in die Verhältnismäßigkeit zu setzen. Vor allem dann, wenn dem Athelten allenfalls Fahrlässigkeit (Unaufmerksamkeit) denn bewusst unsportliches Fehlverhalten zur Last gelegt werden kann. Hört beispielsweise der Vordermann kurz zum Treten auf kann der Nachfolger unvermittelt für wenige Sekunden in den 12m Bereich reinrutschen. Gezwungenermaßen ist also die permanente Achtsamkeit des Athleten gefordert. Wie in der Liveübertragung zu sehen war, wurde der vermeintliche Vorwurf des Windschattenfahrens (signalisiert vom Wettkampfrichter mit blauer Karte) aus heiterem Himmel von Florian Angert, Patrick Lange und Laura Philipp als völlig ungerechtfertigt empfunden, weshalb ihnen ihre Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben stand. Laura Philipp: „Die Schiedsrichterin hatte unsere Gruppe schon lange begleitet. Für mich kam das aus dem Nichts“, erklärte sie. Ist sich der Sportler keiner Schuld bewusst, bewirkt das Unverständnis unweigerlich ein destruktives Frustgefühl. Den aufgestauten Ärger - sprich die nervliche Extrembelastung - abzuschütteln und in positive Energie umzuwandeln ist ein Spagat, der im stressigen Wettkampfeifer alles andere als einfach zu handeln ist. Keineswegs steckt jeder sanktionierte Wettkampfsportler eine solche Bürde ohne weiteres weg. Dass im Kampf gegen die Zeit hochintensive Aufholjagden Körner kosten und sich der Athlet dabei überzockt ist ein weiteres Manko das wie ein Damoklesschwert über seinem Haupt schwebt.

Über die Windschattenproblematik wird speziell bei der World Championship Hawaii schon länger debattiert. Die Hoffnung liegt in einem elektronischen Sensorsystem, zumal 85 % der weltweiten Triathlonwettbewerbe sogenannte Non-Drafting-Wettbewerbe ausmachen und deren Einführung des bereits in Entwicklung befindlichen Abstandsensors u.a. auch der dreimalige Hawaii-Weltmeister Jan Frodeno befürwortet.  

Bislang werden Entfernungen bzgl. Windschattenfahren von Athleten und Kampfrichtern rein subjektiv, d.h. mit bloßem Auge eingeschätzt. Einer gefühlsmäßigen Entscheidung nach Augenmaß fehlt es zwangsläufig an Objektivität bzw. Transparenz. Andererseits gilt aber auch, dass es immer wieder Fehlentscheidungen geben wird - sowohl bei den Athleten als auch Referees. Das ist menschlich. Da eine beweisfeste Überführung der Vorteilsnahme durch Drafting nicht hieb- und stichfest dokumentierbar ist, schießen Spekulationen (z.B.  Willkür der Referees) deshalb rasch ins Kraut. So wußte beispielsweise Laura Philipp (Viertplatzierte) zwei Tage nach dem Wettkampf immer noch nicht, warum sie die Fünfminutenstrafe aufgehalst bekam. Im ZDF-Livestream des Männer-Rennens tat sie zwei Tage später ihrem Unmut kund: "Ich bin der Meinung, die Schiedsrichter müssen eine Bodycam haben, die jedes Renngeschehen filmen, sodass man irgendwie im Nachgang das Ganze analysieren kann und nicht so einer Willkür ausgesetzt ist". Rückblende: Philipp, 35 Jahre alt, lief 2019 bei ihrem Hawaii-Debüt bereits auf Platz vier und galt demzufolge bei der Nachhol-WM im Mai in Utah als Mitfavoritin, erkrankte aber kurz vorher an Corona. Im Juni diesen Jahres beeindruckte sie in Hamburg mit der schnellsten Ironman-Zeit, die eine Frau jemals ins Ziel gebracht hat (8:18:20 Stunden). Im Hinblick dessen ist die herbe Enttäuschung über das Zeitstrafen-Desaster mehr als verständlich. Aber auch der zweifache Haiwaii-Champion Patrick Lange haderte im ZDF mit seiner Zeitstrafe: "Das war für mich eine fragliche Zeitstrafe". "Aber ich wollte das schnell verdrängen und bis zum Ziel alles geben. Das habe ich gemacht."

Agegrouper / Profis - unterschiedliche Anwendung des Kontrollmechanismus

Besonders kurios: So unbarmherzig die Referees bei den Profis durchgreifen, so lasch wird die Einhaltung der Regeln bei den Amateuren kontrolliert. Während die Profis das knallharte Durchgreifen der Wettkampfrichter bei den Drafting Regularien mit empfindlichen Zeitstrafen knallhart zu spüren bekamen, fuhren entgegenkommende Age-Grouper wie an einer Perlenkette aufgereiht meist ohne den vorgeschriebenen Mindestabstand zu beachten auf dem Queenk-K-Highway hintereinander. Dass augenscheinlich zwischen Profis und Amateuren mit zweierlei Maß gemessen wird und den Gleichbehandlungsgrundsatz mit Füßen tritt, ist einer Weltmeisterschaft nicht würdig. Dabei dürfte so mancher regelkonformer Age-Grouper unter Umständen durch Ignorieren der Windschattenregel seitens der Referees um die Früchte seiner Arbeit gebracht worden sein. Überhaupt stellt sich die Grundsatzfrage, ob eine faire Austragung unter regulären Wettkampfbedingungen bei 2.500 Athleten überhaupt gewährleistet werden kann, geschweige Regelverstöße effektiv kontrollierbar sind? Diese Frage ist mit einem klaren Nein zu beantworten, da es schlichtweg unmögich ist das Reglement anzuwenden bzw. einzuhalten. Bei über 2500 Athleten die sich auf der Strecke befinden ergäbe der Tross eine Länge von 30 Kilometer, wenn jeder Athlet zum Vordermann exakt 12 m Abstand einhalten würde. Dann aber wäre ein Überholvorgang gar nicht mehr möglich (Übverholvorgang muss nach 25sec. abgeschlossen sein, bzw. Einscheren wenn eine Lücke vorhanden ist). Lange Rede kurzer Sinn: die Chancengleichheit ist bei den Amateuren aufgrund der Dichte des riesigen Teilnehmerfelds definitiv nicht gegeben. Problemlösung: Angesichts der verdoppelten Teilnehmerzahl könnte eine selektive Streckenführung von Beginn an dazu betragen, das kompakte Feld zu entzerren. 

Bildquelle ZDF/Sportschau

Ausblick: Die vedoppelte Startplatz-Kapazität bedingt bei einigen Qualifikationsrennen auch ein erhöhtes Slots Angebot. Die WM auf Big Island wird am 12. und 14. Oktober 2023 in Kailua-Kona geschlechtsspezifisch komplett getrennt ausgetragen. 

Rückblick 2022

Nach drei Jahren ungeduldiger Wartezeit werden die weltbesten Triathleten in Kailua-Kona auf Big Island endlich wieder mit einem freundlich-warmen „Aloha“ herzlich Willkommen geheißen. Die hawaiianische Begrüßung bedeutet so viel wie „Liebe“, „Zuneigung“, „Nächstenliebe“, „Mitgefühl“, „Freundlichkeit“ oder „Sympathie“. Nachdem im Mai 2022 in St. George (USA) erstmals eine Ironman-WM außerhalb von Hawaii stattfand, mutiert die Pazifikinsel Big Island gewohnterweise Anfang Oktober zum Nabel der Triathlonwelt. Vorweg die wichtigste Neuerung zum Weltsportereignis und größten Triathlon-Event: erstmals findet der Ironman Hawaii an zwei Renntagen statt. Demnach starten am Donnerstag, den 6. Oktober alle Frauen (Profis + Agegrouper), sowie acht weitere Altersklassen der Männer. Am Samstag, den 8. Oktober gehen dann die männlichen Profis und die restlichen Man-Agegrouper an den Start. Insgesamt sind über 5.000 Athleten gemeldet, die von 8.000 Volunteers betreut/versorgt werden. Aufgedröselt in deutschsprachige Länder haben sich 497 Deutsche, 59 Österreicher und 110 Schweizer Altersklassenathleten für die Ironman-WM qualifiziert. 

Viele Fans fragen sich, warum sich dieses Jahr mit rund 5.000 Athleten die Teilnehmerzahl plötzlich nahezu verdoppelt hat. Hintergrund ist der, dass das Rennen 2020 wegen der Coronapandemie abgesagt und die 2021er-Auflage nicht wie geplant auf Hawaii stattfand, sondern ersatzweise im Mai 2022 in St. George (Utah) nachgeholt wurde. Andererseits fanden viele Qualifikationsrennen statt was dazu führte, dass sich ein enormer Qualifikantenstau bildete, welche ein Hawaii-Ticket in der Tasche hatten. Daher hat sich auch das deutsche Agegrouper-Feld beim Ironman Hawaii 2022 nahezu verdoppelt. Um die Masse der Athleten zu entzerren entschieden die Verantwortlichen, die Ironman-Weltmeisterschaft 2022 an zwei Tagen auszurichten. Eine Entscheidung, die übrigens auch zukünftig gelten soll, um mehr Athleten die Chance an der WM-Teilnahme zu ermöglichen. Ein Schelm, wer Böses - äh ans Geld - dabei denkt...

 Kristian Blummenfelt - Ironman­-Weltmeister und Olympiasieger der Kurzdistanz

Im Juli 2021 wurde der 27-Jährige Kristian Blummenfeltbei seinem zweiten Olympia-Start in Tokio Olympiasieger im Triathlon (Olympische Distanz 1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren 10 km Laufen). Im August folgte der Sieg beim Grand Final der Weltmeisterschaftsrennserie 2021 im kanadischen Edmonton ITU-Weltmeister Triathlon (ebenfalls Kurzdistanz). Als erster Triathlet konnte sich der Norweger im selben Jahr sowohl die Olympischen Spiele wie auch die Weltmeisterschaft für sich entscheiden.  

Als Blummenfelt zuvor verlautbarte, dass er nach seinem Olympiasieg auch Weltmeister im Ironman werden wolle, wurde er nicht ernst genommen. Wenig Wunder, denn in der 44-jährigen Geschichte des Triathlonsports hat bislang nur ein Athlet bei seinem Debüt gewonnen bzw. nie zuvor hatte ein Athlet bei den Olympischen Spielen und im Ironman iinnerhalb eines Jahres brilliert. 

Bei seinem Langdistanz-Debüt beim Ironman Mexico stellte Blummenfeld mit 7:21:12 Stunden (swim 39:41, bike 4:02:40, run 2:35:24) eine neue Bestzeit sowie rekordverdächtige Zeiten in den Einzeldisziplinen auf, die aufgrund irregulärer Verhälnisse (extreme Strömung) von der Professional Triathletes Organisation (PTO) jedoch nicht als offizielle Langdistanz-Zeit und damit auch nicht als Weltbestzeit anerkannt wurde. Abgesehen von der Schwimmzeit hätte die Rad- und Marathonzeit trotzdem Rekordniveau - verglichen mit dem amtierenden Streckenrekordrekordhalter im Marathon, Gustav Iden (2:36:15) und dem amtierenden Streckenrekordrekordhalter im Radsplit, Sam Laidlow (4:04:36). 

In St. George (Utah/USA) gewann Blummenfelt im Mai 2022 gleich beim ersten Versuch den Weltmeister­titel im Ironman, nur neun Monate nach seinem Olympiasieg in Tokio (bei Frodeno lagen 7 Jahre dazwischen). 

Bis dahin war Frodeno der einzige Triathlet in der Geschichte des Triathlonsports, der sowohl die olympische Goldmedaille als auch den Weltmeister­titel im Ironman gewonnen hatte. Im Prinzip galt es eigentlich als nahezu ausgeschlossen, dass eine derartig außergewöhnliche Leistung jemals wiederholbar wäre. 

Im Juni 2022 bestritt Kristian Blummenfelt einen Ironman unter atypischen Bedingungen, den er als erster Mann in der Geschichte in unter sieben Stunden absolvierte (initiiert von Chris McCormack). Neben Blummenfelt trat am 5. Juni 2022 auch der Brite Joe Skipper an., während die Schweizerin Nicola Spirig sowie die Britin Katrina Matthews am selben Tag versuchten eine Zeit unter acht Stunden zu erreichen. Blummenfelt absolvierte die Ironman-Distanz in 6:44:26 Stunden und stellte damit die schnellste je gemessene Zeit über diese Distanz ein. Da der Rekord jedoch Windschattenfahren (Mannschaftszeitfahren) umfasste und es je Teildisziplin bis zu zehn Tempomacher gab, hatte der Versuch nur einen "Experimentalcharakter". 

Der Traum des ambitionierten Titelfavoriten, nämlich den prestigeträchtigsten Ironman der Welt auf Big Island bei seinem Debüt sofort zu gewinnen ging für den Ausnahmeathleten indes nicht in Erfüllung, da er sich seinem Landsmann und Trainingpartner Gustav Iden sowie dem Überraschungszweiten Sam Laidlow (F) geschlagen geben musste. Somit hat er eine Rechnung offen, die womöglich am 12. Oktober 2023 als mediales Großereignis zum superspannenden Showdown der Giganten zwischen Blummenfelt, Jan Frodeno, Gustav Iden sowie weiteren siegfähigen Top-Athleten führen könnte. 

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Professionals

55 Athleten haben sich für den Ironman Hawaii 2022 qualifiziert, wobei am 8. Oktober voraussichtlich nur 51 Athleten an den Start gehen werden. Fehlen wird u.a. der Top-Favorit Jan Frodeno, der wegen einer langwierigen Verletzung die Reißleine zog. Aufgrund einer Entzündung in der Hüfte drohte Jan Frodeno sogar ein vorzeitiger Ruhestand als Sportinvalide. Bereits bei der Nachhol-WM im Mai diesen Jahres in St. George musste er wegen eines Teilrisses der Achillessehne passen. Der WM-Titel von St. George (USA) wird übrigens offiziell für das Jahr 2021 geführt, den sich der norwegische Olympiasieger und Kurzdistanz-Weltmeister von 2021 Kristian Blummenfelt vor Lionel Sanders aus Kanada und Braden Currie aus Neuseeland holte, während die deutsche Titelverteidigerin Anne Haug die Bronzemedaille einheimste.

Favoritenkreis

Jan Frodeno schrieb am 12. Oktober 2019 beim Ironman auf Hawaii Geschichte, als er als erster Deutscher nach 2015 und 2016 zum dritten Mal den legendärsten Triathlon der Welt gewinnt - und das in einer fabelhaften Rekordzeit von 7:51:13 Stunden.

Den deutschen Triumph machte Anne Haug mit ihrem Sieg nach 8:40:10 Stunden perfekt. Vorjahressieger Patrick Lange musste dagegen körperlich bedingt frühzeitig auf der Radstrecke das Rennen beenden.

Trotz hohem Wellengang, böigem Wind und Hitze unterbot Frodeno als erster deutscher Dreifach-Champion den Rekord seines Landsmanns Patrick Lange mit der Fabelzeit von 7:52:39 aus dem Vorjahr nochmals um 1 Minute und 26 Sekunden. 

Auch der legendäre Challenge Roth lief 2022 für Frodeno nicht nach Plan, da er nach dem Wechsel auf die Laufstrecke verletzungsbedingt aufgeben musste. Doch anscheinend soll die Gefahr eines unrühmlichen, gesundheitsbedingten Karriereendes gebannt sein. Demnach will der Modellathlet 2023 seine erfolgreiche Profilaufbahn mit einem - hoffentlich erfolgreichen Wettkampf beim IRONMAN World Championship Kailua-Kona auf Hawaii - beenden. Die gezielte Vorbereitung ist in der neuen Wahlheimat Andorra geplant. Frodenos Bilderbuchkarriere reicht schon viele Jahre zurück. So krönte er sich bereits 2008 mit dem Olympiasieg in Peking, während er 2015, 2016 und 2019 die Ironman-WM auf Hawaii gewann und so zum unangefochtenen Superstar der Triathlonszene aufstieg. 

Dramatik pur: Wohl der bitterste Moment in der langjährigen Profi-Karriere von Patrick Lange, als er 2019 beim Radsplit auf Hawaii mit Schwindelanfällen auf Biegen und Brechen total erschöpft aufgeben musste. Ein erschütterndes Bild, das um die Welt ging. Freud und Leid bzw. Sieg oder Niederlage (DNF) liegen unter derart harten Wettkampfbedingungen ganz eng zusammen. So werden auf Big Island sowohl Helden geboren, als auch unbarmherzig vom Thron gestoßen. 

Wenngleich der zweimalige Champion Patrick Lange - der 2018 als erster Mensch überhaupt auf Hawaii in 7:52:39 Stunden die 8-Stunden-Marke knackte - für die diesjährige WM auf Hawaii gemeldet ist, steht hinter seiner Formkurve ein dickes Fragezeichen. Grund ist eine Corona-Infektion, die ihn in den Sommermonaten trainingsmäßig ausbremste. „Das hat mich aus dem Tritt gebracht. Das hat mich im Endeffekt den kompletten Juli an Trainingszeit gekostet“, sagte der 36-Jährige dem Sport-Informations-Dienst: „Auch wenn es momentan runtergeredet wird, muss ich sagen, dass ich das niemandem wünsche. Das war schon eine heftige Grippe.“ Er sehe sich deshalb „aktuell nicht da, wo ich stehen wollen würde“, führte er weiter aus. Doch das sei „keine Ausrede“, die Ansprüche bleiben groß. „Ich glaube nach wie vor, dass ich im Best-Case-Szenario um den Sieg mitreden kann. Das ist und bleibt mein Ziel", sagte der Nordhesse. Zuvor hatte er nach einem heftigen Radsturz bereits die Ironman-WM in Utah Anfang Mai diesen Jahres wegen einer Schulter­verletzung sausen lassen. Dafür verlief das Comeback am 3. Juli beim Langdistanz-Klassiker in Roth mit dem zweiten Platz sehr vielversprechend, wo er sich nur dem Dänen Magnus Elbæk Ditlev geschlagen geben musste.

  Live-Interview 2022 vom Alii Drive – mit Patrick Lange

Sebastian Kienle hat wirklich alles gewonnen, was ein Triathlet auf der Mittel- und Langdistanz abräumen kann: Er wurde dreimal Ironman-Europameister, zweimal Weltmeister über die 70.3-Distanz und krönte seiner Sportlerkarriere mit dem Sieg beim Ironman auf Hawaii 2014. Was die wenigsten wissen: im Laufe der vergangenen Jahre leidet Sebastian Kienle seit 2014 unter Schmerzen an der Achillessehne. Das Handicap zwang ihn 2018 in Kona sogar zur Wettkampfaufgabe. Der Triathlet aus Mühlacker (nahe Pforzheim, Baden Württemberg) steht mit dem schmerzhaften Problem im übrigen nicht allein da, weil Verletzungen der Achillessehne (Sehne / Schleimbeutel) zu den häufigsten Erkrankungen im Triathletensport gehören, wobei Frauen jedoch deutlich seltener davon betroffen sind. 

 Sebastian Kienle über sein Karriereende und Nachhaltigkeit (Pushing Limits; 1.11.2021)

In welcher formidablen Verfassung sich der sympathische Sportler bei seinem letzten Ironman-Auftritt auf Hawaii vor dem angekündigten Karriereende 2023 gegenwärtig befindet, erlauben die diesjährigen Wettkampfergebnisse gewisse Rückschlüsse. Bei der Ironman-WM in St. George (Utah) verfehlte er 2022 mit seinem 14. Platz eine Top-Ten-Platzierung. Dazu schlägt noch ein 6. Platz beim IRONMAN 70.3 ZELL AM SEE-KAPRUN am 28.08.22 zu Buche. Gemessen an seinen eigenen Ansprüchen konnte er mit dieser Ergebnisausbeute nicht zufrieden sein, zumal sein Siegeswille nach wie vor ungebrochen ist. Nachdem der erste WM-Anlauf in St. George misslang bleibt nur noch Hawaii, damit der Wunschtraum vielleicht in Erfüllung geht. Letzten Endes hängt die Konkurrenzfähigkeit aber auch von unbeeinflussbaren Faktoren wie Rennverlauf, Tagesform, Verletzungspech, funktionierendem Material und einem Quäntchen Glück ab, welche der Sportler nicht in der Hand hat. Sebi's Anhängerschar - einschließlich der Autor - wird nach all den Rückschlägen umso mehr mitfiebern und ihm fest die Daumen für einen würdigen Abgang bei der IRONMAN World Championship drücken.

 Last NEWS zur Ironman-Weltmeisterschaft 2022 auf Hawaii + Interview mit Sebastian Kienle (Triathlon-Magazin, 2.10.2022)  

Auch bei einer weiblichen Triathletin - ihres Zeichens Mitfavoritin - schlug das Schicksal unbarmherzig zu. Nur anderthalb Wochen vor der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii verunglückte die Britin Katrina Matthews schwer, als sie bei einer Trainingseinheit auf dem Rad in Texas von einem Auto angefahren wurde. Teil der Trainingsgruppe war auch der zweimalige Ironman-Weltmeister Patrick Lange, der Erste Hilfe leistete. Laut ihrem Ehemann erlitt die Zweite der im Mai in Utah nachgeholten Ironman-WM von 2021 Schädelfrakturen und brach sich bei dem Unfall zudem noch zwei Wirbel und das Brustbein. Matthews galt als ernsthafte Podestkandidatin beim Rennen der Frauen am 6. Oktober, zumal sie bei der WM in Utah lediglich der dominierenden Schweizerin Daniela Ryf unterlag, und noch vor der 2019er-Weltmeisterin Anne Haug die Ziellinie überquerte.

Ebenso fehlt der US-Shootingstar Sam Long, der seinen Kona-Slot nicht wahrnehmen wird. Verletzungsbedingt wird auch der Brite Alistair Brownlee fehlen. Nach derzeitigem Stand gehen fünf deutsche Profimänner ins Rennen: Florian Angert, Maurice Clavel, Sebastian Kienle und Patrick Lange. Zudem erhielt Andreas Dreitz eine Wildcard, nachdem er bei der Ironman WM in St. George Anfang Mai unverschuldet schwer verunglückte und beim Ironman 70.3 in Zell am See-Kaprun sein Renn-Comeback gab. Der sechste Profi-Qualifikant Paul Schuster musste wegen eines Autounfalls in Florida kurzfristig absagen.

 Favoritencheck – mit Thorsten Radde 

Angesichts der krankheits- und verletzungsbedingten Absagen bzw. fraglichem Leistungsvermögen mancher Pro's lässt sich kaum vorhersagen, wer in der abgelaufenen Saison in die (Top-) Favoritenrolle geschlüpft ist. Eine Unwägbarkeit, die die Karten neu mischt und einen spannenden Rennverlauf erwarten lässt. Ob die erfolgsverwöhnten deutschen Top-Triathleten wieder einen WM-Sieg einfahren werden scheint in Anbetracht der Ausgangssituation bzw. Absage durch Frodeno eher unwahrscheinlich. Geschweige ein Doppelerfolg wie 2019, als Jan Frodeno und Anne Haug Deutschland einen historischen Sieg bei der Ironman-WM in Hawaii bescherten. Der damals 38 Jahre alte gebürtige Kölner war nicht nur der erste Deutsche, der die Ironman World Championship auf Big Island dreimal gewonnen hat, sondern er pulverisierte gleich noch dazu den Streckenrekord von Patrick Lange aus dem Jahr 2018. Nach 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer Laufen schwebte er im Siegestaumel freudestrahlend durch das tosende Zuschauerspalier am Alii Drive ins Ziel. Mit seiner Hammerzeit von 7:51:13 Stunden gelang ihm damals nicht nur ein furioses Comeback, sondern Jan Frodeno ist zumindest bis zum 8. Okotober 2022 amtierender Rekordhalter von Hawaii.

Rückblick: 2019 war Deutschland mit 13 Profi-Athleten die am stärksten vertretene Nation im Elitfeld der Männer, gefolgt von der USA mit 9 und Australien mit 6 Athleten. Neben Frodo, Sebi und Patrick hatte Deutschland mit Andi Böcherer, Maurice Clavel, Tobias Drachler, Andi Dreitz, Marc Dülsen, Nils Frommhold, Franz Löschke, Lukas Krämer, Stefan Schumacher und Boris Stein zehn weitere Professionals im Feuer. 

Wie bei den Männern konnten sich in der vergangenen Kona-Qualifikationsperiode die Frauen ebenfalls 55 Startplätze sichern. Nach aktuellen Meldungen werden allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach nur 45 Damen starten. Mit Daniela Bleymehl, Anne Haug, Elena Illeditsch, Kristin Liepold, Laura Philipp, Jenny Schulz, und Laura Zimmermann stehen insgesamt sieben deutsche Profifrauen am Start. Nur die USA mit elf und Großbritannien mit neun Qualifizierten bieten mehr Wettkampfteilnehmer auf. Nachdem Daniela Ryf dieses Jahr ihren fünften WM-Titel bei der Ironman-Weltmeisterschaft am 7. Mai 2022 in St. George in Utah souverän unter Dach und Fach brachte - sie siegte mit einem neunminütigem Vorsprung auf die Zweitplatzierte - hat sie ihren Nimbus einer unbesiegbaren Sportlerin weiter gefestigt. In Anbetracht der beeindruckenden Verfassung der Schweizerin scheint es fragwürdig, ob sich Anne Haug als Kona-Titelverteidigerin gegen die dominante Konkurrentin (sofern sie nicht wieder an Magenproblemen leidet, weswegen sie 2019 nur Dreizehnte wurde) durchsetzen wird. Nichtsdestotrotz landete Anne Haug bei der diesjährigen WM in St. George auf dem dritten Platz und siegte beim Challenge Roth. Letztlich wird ausschlaggebend sein, wieviel Minuten sie  nach dem Schwimmen und dem Radsplit auf die Spitze verliert, bevor sie nach der zweiten Wechselzone auf die Laufstrecke geht. In ihrer Paradedisziplin - dem Laufen - trauen ihr Experten durchaus zu, dass sie einen Rückstand von etwa 5 -6 Minuten im Marathon aufholen kann. Sollte sich der Rennverlauf tatsächlich nach diesem Denkmuster so entwickeln, dann ist für prickelnde Spannung allemal vorgesorgt, zumal immer das Damoklesschwert über dem Haupt schwebt, das Leistungslimit über Gebühr auszureizen - sprich über zu pacen.

Startzeiten - TV-Übertragungen - Livestream

Das ZDF überträgt den Ironman Hawaii 2022 an beiden Renntagen, dem 6. und 8. Oktober 2022 aus Kailua-Kona live, wobei die Übertragungen jeweils als Livestream beginnen, bevor die finale Entscheidung zusätzlich im TV zu sehen sein wird.

Am Donnerstag starten um 6.25 Uhr Ortszeit (18.25 Uhr MEZ) die Profi-Frauen, sowie ab 6.30 Uhr stufenweise bis 7 Uhr alle Frauen-Altersklassen; ab 7.25 Uhr: alle Männer über 60 Jahre; 7.35 Uhr Altersklasse M50-54; 7.40 Uhr: M25-29

Am Samstag starten um 6.25 Uhr Ortszeit (18.25 Uhr MEZ) die Profi-Männer, sowie ab 6.40 Uhr stufenweise alle weiteren Altersklassen-Athleten

ZDF sportstudio live am Donnerstag, 6. Oktober – Ironman Hawaii Frauen. Ab 18:15 Uhr startet der Livestream. TV-Übertragung 00:45 Uhr bis 03:30 Uhr.

ZDF sportstudio live am Samstag, 8. Oktober – Ironman Hawaii Männer. Ab 18:15 Uhr startet der Livestream. TV-Übertragung 00:25 Uhr bis 03:15 Uhr.

Moderatoren sind Martin Schneider und Florian Zschiedrich während Daniel Unger als Experte das Renngeschehen analysieren wird.

Streckengrafik mit Höhenprofil


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Ironman Hawaii - ein Mythos

Der Ironman Hawaii ist der älteste Triathlon über die Langdistanz weltweit. Er findet seit der Erstaustragung 1978 an der Geburtsstätte der Marke »IRONMAN« auf der Inselgruppe Hawaii im Pazifischen Ozean statt. Bei kaum einem anderen Bewerb spielt Ausdauer und mentale Stärke so eine große Rolle wie beim IRONMAN World Championship. Das Rennen - bestehend aus den Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Marathonlauf  wurde ursprünglich erfunden, um die Frage zu klären, ob Rennradfahrer wirklich die fittesten Sportler sind. Bevor der Wettbewerb 1981 nach Big Island übersiedelte, fand er auf der Insel Oahu statt. Dort wurde das Schwimmen im unruhigen Pazifik von Waikiki, das Radfahren auf dem Inselrundkurs von Oahu und abschließend der Honolulu Marathonlauf ausgetragen. Mittlerweile gehört der Ironman zu weltweit beliebtesten Ausdauer-Serie. Fast 100.000 Menschen treten jährlich rund um den Globus in unterschiedlichen Events gegeneinander an, wobei allerdings nur die wenigsten die Chance auf eines der begehrten Tickets nach Hawaii nutzen möchten bzw. die Qualifikationshürde schaffen.       

Die IRONMAN WM auf Hawaii gilt gemeinhin als härtester Eintages-Wettkampf. Die Gesamtdistanz von 226 Kilometer gliedert sich in drei Disziplinen: 3,86 Kilometer Schwimmen im zumeist aufgewühlten Pazifik, 180,2 Kilometer Radfahren auf dem von böigen Mumuku-Winden ausgesetzten Queen Kaahumanu Highway und der 42,195 Kilometer lange Marathon bis zum Zieleinlauf auf dem Alii Drive. Insbesondere das feuchtschwüle tropische Klima, das wellige Streckenprofil (Rad- und Laufstrecke) und unberechenbare Windböen machen den Ironman auf Big Island zu einer extremharten Ausdauerchallenge mit ungewissem Ausgang. Das erlaubte Zeitmaximum beträgt beim Schwimmen 2 Stunden 20 Minuten, beim Radfahren liegt das Limit bei 10 Stunden 30 Minuten. Das Cut-Off-Limit an der Finisherline beträgt 17 Stunden, d.h. wer beim Marathon seinen letzten Schritt über die Ziellinie nicht innerhalb dieser Zeitvorgabe setzt, handelt sich ein „DNF – Did not finish“ ein.  

Einzigartige Begleitumstände auf Hawaii führen i.d.R. zu langsameren Finisherzeiten als bei anderen IRONMAN'S dieser Welt. Da jede Ironman-Veranstaltung ihr spezifisches Streckenlayout aufweist, sowie die äußeren Bedingungen zudem meist stark variieren, sind Finisherzeiten rund um den Globus (wg. Wellengang, Wind, Temperatur und Luftfeuchtigkeit nicht mal mit derselben Veranstaltung vergangener Zeiten) nicht miteinander vergleichbar. Genau diese Faktoren beeinflussen signifikant, ob ein startker Schwimmer, Radfahrer oder Läufer siegfähig ist. Grundsätzlich gilt eine scheinbar banale Binsenweisheit: Du kannst das Rennen weder beim Schwimmen noch beim Radfahren gewinnen, aber Du kannst es dort sehr wohl verlieren, wenn man sich verzockt bzw. über Gebühr zu sehr verausgabt.

Hinzu kommt das ständige Auf und Ab beider Rundkurse (Radstrecke+Marathon) über die Hügellandschaft, die insgesamt über 2.000 Höhenmeter verzeichnet – 1.772 Meter auf der Radstrecke und 307 Meter beim Marathon. 

Dass beim Radfahren der Luftwiderstand der größte Widersacher ist, ist hinlänglich bekannt. Ebenso, dass Laufräder entscheidende Vorteile bei der aerodynamischen Materialoptimierung versprechen. Felgen mit höherem Aeroprofil jenseits von 40-50 mm Bauhöhe versprechen ca. 9-12 Wattersparnis gegenüber klassischen Kastenfelgen, was sich bei der 180 km langen Raddistanz umgerechnet auf gut und gerne 10 Minuten Zeitgewinn summieren kann.

Besonders berüchtigt ist auf Hawaii der Mumuku-Wind, der besonders für seitenwindempfindliche Aerolaufräder bzw. sobald man seine gestreckte, windschlüpfrige Aero-Position verlässt eine größere Angriffsfläche bietet. Hohe Carbonfelgen sind quasi das Segel des Rennrads. Sie können sogar Seitenwind in Vortrieb umwandeln, weshalb sie in Sachen maximales Tempo erste Wahl in flachem bis welligem Gelände sind. Allerdings leidet mit zunehmender Felgenhöhe die Seitenwindstabilität, d.h. flachere Modelle sind aerodynamisch zwar etwas schlechter, dafür aber spurstabiler bei Seitenwind. Es gilt also windabhängig den optimalen Kompromiss aus Tempo und Handling zu heraus zu finden.

Beispiellos ist der Marathonlauf bei mörderischer Hitze durch Lavafelder, den selbst Topathleten an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit bringt oder in manchen Fällen gar zur Rennaufgabe zwingt. Gleichwohl gilt für jeden Triathleten die unumstössliche Prämisse, dass ein DNF keine Option darstellt. 

Die körperliche - aber auch die mentale - Belastung beim Ironman Hawaii ist aufgrund der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit enorm. Dies zeigt sich auch im extremen Kalorienbedarf, der sich zwischen 7.000 und 10.000 verbrannter Kalorien (steigt äquivalent zum Körpergewicht) bewegt. Umgerechnet entspricht das cirka zehn bis zwölf große Margherita-Pizzen. Verglichen mit dem durchschnittlichen Kalorienverbrauch eines Menschen pro Tag (1.500 bis 2.500 Kalorien) verbrennt ein Triathlet beim Rennen auf Hawaii ein Vielfaches an Energie. 

Wie hoch die Qualifikationsanforderungen sind macht folgendes Zahlenbeispiel deutlich. Bis Ende September nahmen 2017 weltweit 260.000 Sportler an Ironman-Rennen teil, aber nur 2.400 Teilnehmer erfüllten die Qualinorm für die WM in Hawaii (Quote <1 %). Für die überwiegende Mehrheit der Age Grouper gilt die Quali als größte Herausforderung, da die WM-Teilnahme auf Hawaii eher als Kür begriffen wird.

Die Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii stellt für einen elitären Sportlerkreis ambitionierter Triathleten einen absoluten Lebenstraum dar. Seit 1978 findet das Rennen auf Hawaii statt, wobei die Austragungsstätte seit 1982 Kailua-Kona (2020 rund 20.000 Einwohner) – eine Kleinstadt an der Westküste der Insel Hawaii (Big Island) - ist. 

Deutsche Sieger bei der IRONMAN World Championship

Die Ironman-WM auf Hawaii wurde 2020 / 2021 wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Dafür finden 2022 gleich zwei WM-Wettbewerbe (St. George und Hawaii) im selben Jahr statt, wobei in St. George die Ironman-Weltmeister für das Jahr 2021 gekürt wurden (Sieger Kristian Blummenfeld, NOR, Daniela Ryf, CH). 

Bis 2019 konnten 6 Deutsche (drei davon mehrmals) die IRONMAN World Championship gewinnen (∑ 10 Siege):

    • Thomas Hellriegel 1997
    • Normann Stadler 2004 + 2006
    • Faris Al-Sultan 2005
    • Sebastian Kienle 2014
    • Jan Frodeno 2015 + 2016 + 2019
    • Patrick Lange 2017 + 2018 

    Agegrouper

    Der Begriff Hobby-Sportler trifft für qualifizierte Altersklassen-Athleten (Agegrouper) auf Big Island nicht den Nagel auf den Kopf. Allein die exorbitanten Umfänge und hohe Belastungsintensität in drei Sportdisziplinen, die zu einem erfolgreichen Langdistanz-Debüt befähigen sollen sprengt den Rahmen normal-üblicher Breitensportverhältnisse. Das Leistungsniveau entspricht vielmehr dem von Amateursportlern bzw. Semi-Profis. Wer sich eine WM-Teilnahme in Hawaii zum Ziel gesetzt hat, der nimmt für seinen Traum unheimlich viele Entbehrungen auf sich. Immerhin sind in der heißen Traingingsphase (3-6 Monate vor dem WM-Wettkampf) rund 20-25 Trainingsstunden pro Woche anzusetzen. Tatsächlich vergehen viele Jahre - mitunter ein Jahrzehnt - bis die Qualifikation - sprich ein Hawaii-Slot - unter Dach und Fach ist.  Dass dies nur dann funktioniert, wenn der Aufwand sowohl beruflich als auch privat mit der Familie bzw. dem Lebenspartner vereinbar ist, versteht sich von selbst.

    Auch wenn Altersklassenathleten nicht im Blitzlichgewitter der Medien bzw. im Öffentlichkeitsinteresse stehen, so bilden sie mit 5.000 Teilnehmern (seit 2022) das eigentliche Herz dieser traditionsreichen Triathlonveranstaltung. Sie sind es, die die Speerspitze der besten Amateursportler aus der ganzen Welt repräsentieren und es trotz Berufs- und Alltagsbelastung mit enormen Ehrgeiz, eiserner Disziplin, Leidensfähigkeit und Durchhaltevermögen schafften an der IRONMAN-WM in Hawaii teilnehmen zu dürfen. Dabei verfolgen alle Teilnehmer hartnäckig dasselbe Minimalziel, nämlich unter allen Umständen in Hawaii zu Finishen, um nach der Tortur den ersehnten Spruch zu hören: YOU ARE AN IRONMAN!

    Wie nah die weltbesten Agegrouper den Profis mittlerweile auf den Pelz rücken, zeigt die famose Finisherzeit des schnellsten Nicht-Profis bei der Ironman-WM auf Hawaii. Christian Störzer aus Metzingen holte sich mit einer Zeit von 8:31:26 Stunden nicht nur den Altersklassensieg (M40-44) sondern gleichsam auch den Overallsieg. Seine Gesamtzeit (noch vor Lionel Sanders) hätte bei den Profis für Platz 33 (von 44 gewerteten Profis) gereicht, weshalb der gebürtige Franke ernsthaft nachdenkt 2023 ggf. in die Profiliga zu wechseln. 

    In der Szene mittlerweile kein Unbekannter, ist er doch Millionen Menschen als Tageschau-Sprecher bekannt. Zum zweiten Mal nach 2017 biss sich Thorsten Schröder (54) abermals erfolgreich beim Ironman auf Hawaii mit vollem Einsatz durch. Als 72. von 387 Startern in seiner Altersklasse lief er wackelig aber megaglücklich nach 11:05:45 Stunden über die Finisherline. Der Hamburger hatte sich als einer von 497 deutschen Startern qualifiziert. Triathlon ist seine Leidenschaft, weshalb er den Sport seit 25 Jahren aktiv betreibt. Wegen seiner Zwangspause nach einer Corona-Infektion im Sommer konnte er seine Zeit von 2017 von 10:56 Stunden nicht verbessern. Nichtsdestotrotz durfte er ein zweites Mal Teil des Mythos sein und vom Moderator die ersehnten Worte hören: „Thorsten Schröder, you are an Ironman“.

    Qualifying - Slotvergabe

    Auf der Triathlon-Insel der Träume darf - im Gegensatz zu anderen Ironmans - beileibe nicht jeder antreten, der möchte. Das älteste Langdistanzrennen der Welt bleibt nur den Besten - also den leistungsfähigsten Ausdauersportlern - vorbehalten. Das gilt für Profis genauso wie für Age Grouper. Während Langdistanzrennen weltweit für jedermann offen stehen, läuft die WM-Teilnahme in Hawaii ausschließlich über die Qualifizierung, die weltweit bei einem Wettbewerb der Ironman-Serie abgelegt werden kann. Je nach Teilnehmerfeld werden unterschiedlich viele Startplätze vergeben, mal nur an den Sieger, mal an bis zu vier Bestplatzierte.

    Welches Resultat für einen WM-Startplatz bei einem anderen Ironman weltweit erforderlich ist, hängt schlussendlich von der angebotenen Slotanzahl des Wettbewerbs ab, den IRONMAN vergibt. Je höher die Leistungsdichte bzw. imageträchtiger das Rennen ist bzw. je stärker die Altersklasse besetzt ist, umso mehr Slots gibt es. Im Regelfall bedarf es mehrerer Anläufe, bis es endlich mit dem WM-Ticket nach Hawaii klappt.

    Agegrouper qualifizieren sich durch eine Top-Platzierung in ihrer Altersklasse bei einem der rund 40 globalen „Ironman-Qualifier“. Dort werden in der Regel zwischen 40 und 80 „Slots“ vergeben, die sich proportional je nach Teilnehmerzahl auf die Altersklassen verteilen. Ausgenommen von der Regel bleiben Agegroup-Weltmeister, da sie automatisch für das folgende Jahr qualifiziert sind. Dazu gibt es noch die Sonderregel durch das Legacy-Programm: hierbei werden 100 Plätze an Athleten vergeben, die bereits 12 Ironman-Finishes - ohne Kona - vorweisen können und überdies noch weitere Kriterien erfüllen müssen. Es gibt zwar Startplatzverlosungen, die jedoch massiv umstritten sind, weil sie die hohen Leistungsniveauanforderungen mehr oder weniger aushebeln. 

    Die Slotvergabe erfolgt in aller Regel am Tag nach dem Rennen (Siegerehrung), wo die Athleten namentlich aufgefordert werden ihre Teilnahmeberechtigung einzulösen. Ist der Athlet nicht anwesend oder nimmt er den Slot nicht in Anspruch, geht dieser automatisch an den nächstplatzierten AK-Athleten über, bis alle Slots vergeben sind (IRONMAN Rolldown). Im Durchschnitt lösen etwa 90 Prozent der Qualifizierten ihr Startrecht ein.

    Die Qualifikationsanforderungen sind enorm. Bis Ende September 2018 nahmen im Zeitraum von 1 Jahr weltweit etwa 260.000 Sportler an Ironman-Wettbewerben teil, aber nur 2.400 Teilnehmer schafften die Hürde ins elitäre WM-Starterfeld der »Age Grouper« (Altersklassen-Athleten) aufgenommen zu werden.

    Triathlon - ein Sport für Gutbetuchte

    Auf dem langen Weg zum Traumziel ins Mekka des Triathlonkosmos legt die Qualifikationshürde für den berühmt-berüchtigten Triathlon der Welt die Messlatte brutal hoch. Hat man nach jahrelangem Ausdauertraining endlich einen begehrten Startplatz für die Ironman-Weltmeisterschaft ergattert, rückt plötzlich ein anderes Problem ins Bewusstsein. Es stellt sich nämlich die Frage, ob man sich den WM-Auftritt finanziell überhaupt leisten kann bzw. leisten will. Immerhin beläuft sich die Startgebühr auf 1120 US-Dollar (rund 1060 Euro), die nach der Slotvergabe sofort fällig wird. Mit Flug- Hotel- Verpflegungs- und sonstigen Unkosten summiert sich die kostspielige Teilnahme an der Ironman-WM - je nach Aufenthaltsdauer und Hotelkategorie - ruckzuck auf über 10.000 Euro. Neue Hochrechnungen gehen gar vom Doppelten aus. Aktuell berichten manche zuletzt gar von 30 000 Euro, die Apartment-Vermieter für drei Wochen verlangten. Für nicht wenige Triathleten sind dies schlicht und ergreifend unerschwingliche Beträge. An einer längeren Aufenthaltsdauer kommt man kaum vorbei, da des feuchtheißen Klimas wegen eine frühzeitige Anreise unerlässlich ist, um sich vor dem großen Wettkampftag ausreichend zu akklimatisieren. Außerdem bietet es sich an, vor bzw. nach dem Rennen die Insel zu erkunden und ein wenig über die Menschen, Kultur und Geschichte zu erfahren, was wiederum das Reisebudget verteuert.

    Darüber hinaus verschärft die explosive Preisentwicklung auf Hawaii die finanzielle Problematik. So dürfen neuerdings längst nicht mehr alle Einheimische Gäste aufnehmen, d.h. untervermieten wie es früher der Fall war. Die gesunkene Unterkunftskapazität führte postwendend zu teils massiven Preissteigerungen. Hinzu kommt, dass aufgrund der Pandemie viele Festland-Amerikaner auf die Insel übersiedelten, was das Preisniveau für Wohnraum in die Höhe schnellen ließ. Abgesehen davon dürfte auch die Verdoppelung der Teilnehmerzahl des Ironman die Preisspirale - zumindest vorübergehend während der WM - beschleunigen. Erfahrungsgemäß steigen die Preise im Zeitraum der WM erheblich. Wie heißt es so schön, die Nachfrage regelt den Preis. 

    Auch die Lebenshaltungskosten sind rapide gestiegen. Preisbeispiel: im Supermarkt bezahlt man für ein Päckchen Toastbrot fünf bis sechs Dollar, eine Viertelmelone kostet zwölf Dollar. Insofern können sich diesen Sport im Prinzip nur Privilegierte  leisten - vor allem im Hinblick auf eine Hawaii-Teilnahme - bei der laut World Triathlon Corporation 75 Prozent einen Hochschulabschluss verfügen. So gesehen platzt für viele Triathleten ihr (hawaiijanischer) Lebenstraum bevor er überhaupt begonnen hat.

    Nicht zu vergessen, dass Startgebühren, Equipment, Trainingslager bis hin zu einer gesunden Ernährung im Laufe der Zeit Unsummen an Geld verschlingen, wobei dies quasi  als laufende Kosten für den "Sport-Unterhalt" zu verbuchen ist. Dass Triathlon - vornehmlich die Langdistanz - ein Sport der Besserverdienenden ist, deren Sozialstatus zu einem Großteil erst zu einem exorbianten Leistungsniveau befähigt, liegt auf der Hand. 

    Was in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist, dass die wenigsten Profis von ihrem Sport tatsächlich leben können. Sebastian Kienle sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Gerade viele Profis verdienen mit ihrem Sport nicht so viel Geld, dass das aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht Sinn machen würde, hier in Hawaii zu starten». Und weiter: «Man sollte schon unter die ersten Zehn kommen, um die Kosten zu decken.» Für den zehnten Platz gibt es ein Preisgeld von umgerechnet rund 11.300 Euro, während ein Hawaii-Sieg mit knapp 130.000 Euro belohnt wird.

    Amüsantes "Frühstücks-Fernsehen" für Daheimgebliebene (Facebook/YouTube)

    Die täglichen Live-Video-Clips von Ralf Preissl (seit 35 Jahren leidenschaftlicher Triathlet und 25 facher Ironman-Finisher) & Silvia Weishäupl (thanks for greetings:-) sind mega! Einfach deswegen, weil sie ihr Fach- und Insiderwissen mit leidenschaftlichem Feuer authentisch, informativ, witzig, unterhaltsam, herzerfrischend, unkonventionell und frei von kommerziellem Background vermitteln. Beide Athleten sprühen geradezu vor brennendem Enthusiasmus & emotionaler Leidenschaft und Hingabe für ihren heißgeliebten Tria-Sport. Eins ist sicher: die Botschaften kommen an und lassen den Funken auf die wissbegierige Communitiy überspringen. Bravo, macht weiter so, wir - die Fangemeinde - dankt es euch.

    MZ-Bericht

    Daheimgebliebene brauchen nicht verzagen, denn der Oberpfälzer Agegrouper Ralf Preissl (aus der Marktgemeinde Regenstauf nahe Regensburg) - mehrfacher Hawaii-Finisher (2016: 9:45 AK-Drittplatzierter; 2019: M40–44, 11:14:38; 2022: 09:51:09) - sendet mit "Co-Kommentatorin" Silvia Weishäupl (2019: F40–44 10:37:4, 2022: 10:26:08) auf seiner Facebook-Fanpage täglich einen unterhaltsamen Podcast (Frühstücksfernsehen), der interessante Einblicke ins Live-Geschehen gewährt, sowie Trainings- und Ernährungstipps zum besten gibt bzw. darüber berichtet was sonst noch alles around the Ali´i Drive abgeht. Die gut elf Kilometer lange Küstenstraße im Städtchen Kailua-Kona auf Big Island mutiert in der ganzen Woche vor dem World Championship - Spektakel zum quirligen Epizentrum des Triathlonsports. Auf der wohl bekanntesten Laufstrecke der Welt spielt sich ein echter Showdown ab, da ständig Profis und Amateurathleten den Ali´i Drive rauf und runter laufen, wobei der türkisblaue Pazifik den optischen Rahmen bildet.

    Der steinige Weg zur Ironman-Weltmeisterschaft

    Neueinsteiger müssen selbst bei strukturiertem und zielgerichteten Trainingaufbau über die langwierigen Steps Kurz- Mittel- Langdistanz mit einem mehrjährigen Zeitrahmen rechnen (je nach körperlicher Ausgangsverfassung) bis die Leistungsfähigkeit an ein WM-Qualifikationsniveau heran reicht. Je nach Trainingsumfang und Herangehensweise kann der treppenartig verlaufende Körperanpassungsprozess gut und gerne 8 Jahre dauern, bis eine reelle Slot-Chance bei einem der rund 45 globalen „Ironman-Qualifier“ gegeben ist. Die von der World Triathlon Corporation ver­öffentlichten Statistiken über die Ironman-­Teilnehmer verdeutlichen das Trainingspensum in der Praxis: demnach trainieren die meisten Kona-Starter zwischen 18 und 30 Stunden pro Woche, aufgeteilt in 11,3 Kilometer Schwimmen, 373,3 Kilometer Radfahren und 77,2 Kilo­meter Laufen. Jedenfalls gehören Ehrgeiz, gesunde und disziplinierte Lebensweise, strukturierter Trainingsaufbau und last but not least eine ausgeprägte eiserne Willenskraft zu den unabdingbarne Erfolgsfaktoren. Gerade die mentale Power genießt im Reigen der Erfolgsparameter eine herausragende Bedeutung, ohne die die Qualen am Rand der körperlichen Belastbarkeit nicht zu ertragen wären. Abgesehen von einem hart erkämpften Startplatz steht die eigentliche Krönung - sprich dem Lebenstraum - in Big Island nämlich erfolgreich zu finishen freilich noch einmal auf einem ganz anderen Blatt.

    Radhersteller im Markenvergleich

    Welches Material bei der Ironman WM Hawaii zum Einsatz kommt, wird bereits seit vielen Jahren durch den "Kona Bike Count" erfasst. Die eingecheckten Räder werden in der Wechselzone von Experten akribisch unter die Lupe genommen, um Rahmen, Laufräder und sonstige Komponenten zu erfassen. Der Vergleich zwischen 2019 und 2022 offenbart interessante Marken-Verschiebungen. Mehr unter Triathon.de