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Miesepeterwetter verhagelt sprichwörtlich den Glocknerkönig
Der 26. Glocknerkönig ist Geschichte. Das populäre Radsport-Event war erwartungsgemäß wieder hoch professionell organisiert. Einziger Wehrmutstropfen: Petrus spielte nicht so mit, wie es sich die Radsportler eigentlich insgeheim wünschen. Wetter-Apps verhießen für Sonntag nichts gutes. Die Vorhersagen glichen eher einer Weltuntergangsstimmung, denn trocken-warmen Radlerwetter.
Wenigstens zeigte sich am Freitag und Samstag abwechselnd die Sonne, weshalb angereiste Radsportler im "Kurz-Kurz-Dress" ihre letzten Einheiten abspulten. Am Vortag wurden bei der Nudelparty tausendfach Wetter-Apps gecheckt, um vielleicht doch noch irgendwoher eine halbwegs positve Prognose zu erhalten. Letztlich blieb es beim "Vater des Wunschgedankens". Es half alles nichts, denn am Wettkampftag öffnete der Wettergott die Schleusen, dazu hatte es auf der Edelweißspitze gerade mal 2 Grad. Aber wie heißt es so schön: "No pain no gain".
Hätte, hätte Fahrradkette. Samstag waren die Straßen bis nachmittags noch trocken, aber dann schaltete Spielverderber Petrus auf "Vollwaschgang".
Der Glocknerkönig zählt für drahtige Bergspezialisten seit vielen Jahren zum absoluten Highlight im Rennkalender, wobei das Renngeschehen immer nach demselben Muster abläuft. Will heißen, dass ab der Mautstation Ferleiten endgültig Schluß mit energiesparendem Windschattenfahren ist. Von dort ab kämpft jeder auf eigene Rechnung. Bei der Kletter-Challenge auf höchstem (Steigungs-) Niveau zeigt sich in entwaffnender Klarheit, wer die bessere gewichtsbezogene Leistung - sprich wieviel Leistung wir in Relation zu unserem Körpergewicht in der Lage sind, aufrechtzuerhalten - auf's Parkett bringt. Je nachdem wieviel Watt pro Kilogramm Körpergewicht gedrückt werden, arbeitet man sich im anfänglich dichten Feld nach vorne oder wird prügelhart nach hinten durchgereicht.
Selbst der Namenspatron Großglockner - mit einer Höhe von 3798 m ü.M. höchster Berg Österreichs - zeigte sich am Samstag mit seinem ehrfürchtigen Antlitz. Wie klein man sich als Mensch im Schatten dieser Alpenriesen fühlt...
Letztlich folgten von 2.700 Angemeldeten etwa 2.350 Teilnehmer dem "Glockner-Ruf" und bissen sich in den Kategorien Classic, Ultra und Light die Zähne aus. Wolkenbruchartige Regenfälle bei gleichzeitiger Eiseskälte zog der ohnehin nicht einfachen Herausforderung die Daumenschrauben nochmals an, was die Leidensfähigkeit auf die harte Probe stellte. Trotzdem wurde die hammerharte Challenge vom überwiegenden Großteil der Teilnehmer bravourös gemeistert. Die unverzagten Haudegen ließen sich von Nässe und Kälte nicht im Entferntesten einschüchtern. Chapeau!
Wie seit Jahren üblich, erfolgte der Startschuß in Bruck an der Glocknerstraße punkt 07:00 Uhr. Die nervöse Anspannung der Athleten ist an der Startlinie förmlich zu spüren. Die Classic-Fahrer hatten bis zum Ziel am Fuscher Törl (2.428m) 27 Kilometer und 1672 Höhenmeter zu bewältigen. Die Ultra-Teilnehmer gönnten sich auf der bis zu 14% steilen Pflasterstraße hinauf zur Edelweissspitze (2.571m) sozusagen noch einen "bitter-süßen" Nachschlag, d.h. für sie war das Ziel erst nach 29 Kilometer und 1.815 Höhenmeter erreicht. Angesichts der Nebelschwaden schlummerte die landschaftliche Schönheit rund um die Großglockner Hochalpenstraße leider Gottes im Verborgenen.
Pünklich zur Startaufstellung begann es Sonntag früh zu regnen. Das sogenannte "WarmUp" war also keine "Trockenübung" mehr, sondern viel sprichwörtlich ins Wasser. Nachdem sich um 6.30 die drei Startblocks füllten, fing es sogleich an zu schütten. Den Blick aufs Wetterradar konnte man sich schenken, denn Besserung war allenfalls ab nachmittag in Sicht wenn das Rennen bereits gelaufen ist.
Bevor man Bruck überhaupt verlassen hatte, war man bereits bis auf die Knochen klatschnass. Im "Schweinsgalopp" ging es von Bruck 757m über Fusch 780m zur Mautstation Ferleiten 1.115m. Auf den Flachpassagen herrschte übliches Gebolze, nur diesmal halt ohne Sicht durch das Spritzwasser des Vordermannes. Doch dann schmolz der erkleckliche Schnitt bis zum Fuschertörl bzw. Edelweißspitze wie das Eis in der warmen Sonne. Erschwerend kam hinzu, dass der enorme Höhenunterschied ab der Mautstation mit einem spürbaren Temperaturabfall einherging. Je höher es also ging, um so kälter wurde es. Nachdem die 2000 Höhenmeter Marke passiert war, spürte man kaum mehr seine Gliedmaßen noch. Es kam halt auch kaum jemand auf die verwegene Idee, mit gefütterten Winterhandschuhen bzw. in Winterhalbschuhen zu starten. Wie dem auch sei, trotz der miserablen Umstände schraubte man sich im wahrsten Sinne des Wortes benebelt - ohne jeglichen Ausblick auf die herrliche Hochgebirgslandschaft - Meter um Meter stoisch nach oben.
Die Edelweißspitze sticht einem bei der Streckengabelung schon fast entwaffnend frontal ins Auge. Hat einem die Strecke bis dahin noch nicht weich gekocht, dann geht's spätestens von da ab auf der bocksteilen Pflasterstraße zur Edelweißspitze ans Eingemachte. Für manch einen ist es wohl besser den ehrfurchterregenden Gipfel lieber nicht zu fokussieren, da der mentale Dämpfer womöglich die Willenskraft zersetzt. Gepaart mit der dünnen Höhenluft erfordert die 2 km lange Stichverbindung letzte Kraftreserven – bei bis zu 14 Prozent Steigung. Normalerweise klatscht man sich am Ziebogen ab. Doch jeder durchnässte Athlet entfloh flugs aus dem Zielraum, riß sich schnellstmöglich die klatschnasse Kleidung vom Leib und fischte zitternd trockene Wäsche aus dem Kleidungssack. That's it, man wollte keine Zeit verlieren, um am schnellsten Wege wieder wärmere Gefilde in der Tallage anzusteuern.
Die Hochgebirgs-Traumkulisse blieb leider buchstäblich hinterm "Vorhang" verborgen. Und trotzdem: die überschwängliche Freude schmälerte es bei der Zielbogen-Durchfahrt in keinster Weise. Der schönste Moment brannte sich unauslöschlich in den Gehirnwindungen als Augenblick der Ewigkeit ein, gerade weil die unwirtlichen Bedingungen derart extrem waren. Doch so richtig Auskosten konnte man das Finish nicht wirklich. Letzten Endes blieb für Emotionen am regenverhangenen Gipfel nämlich kaum Zeit, da rasches Umziehen absolut Vorrang hatte. Allerdings mutierte der Kleidungswechsel in der Eiseskälte mit klammen Fingern und zitterndem Körper zum echten "Überlebensakt". Einziger Lichtblick war, sich zu diesem denkwürdigen Zeitpunkt warme Gedanken zu machen. Die Vorfreude talwärts in wärmere Gefilde hinab zu schweben und sich nach der langen Abfahrt auf nasser Fahrbahn mit total verkrampfter Körperspannung endlich im endorphinen Glücksrausch zu schwelgen, verschaffte der Psyche einen wundersamen Auftrieb.
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© Tourismusverband Bruck Fusch / Großglockner |
Als Lohn für die brutalharte Anstrengung gab's für alle Finisher die ersehnte Glockner-Medaille im nationalfarbenen Rot-Weiß-Rot-Umhängeschleifchen. Der traditionelle Kaiserschmarrn wurde wetterbedingt nicht am Fuscher Törl sondern am viel wärmeren und trockenen Ausgangspunkt in Bruck gereicht. Sobald die Finishermedaille auf der Brust baumelte, war der schmerzvolle Aufstieg freilich schon fast wieder vergessen. Unter solchen Extrembedingungen gebührt jedenfalls allen Heroes die nicht aus dem Zeitlimit geflogen sind und sich den "A..." abgefroren hatten größten Respekt und riesige Anerkennung. Somit geht der 26. Glocknerkönig unter ganz speziellen Vorzeichen in die Analen der Geschichtschronik ein.
Trostlose Nebelsuppe auf der Edelweißspitze
Siegerehrung
Turnusgemäß um 14.00 Uhr beginnt die Siegerehrung in Bruck.
Die Radprofis werden bei „Tour of Austria“ am 4. Juli 2023 ebenfalls die Glockner Hochalpenstraße befahren, wobei der Sieger der Bergwertung am Hochtor (2.504 m) mit dem prestigeträchtigen Titel „Glocknerkönig“ ausgezeichnet wird.
Die diesjährigen Glocknerkönige und Glocknerköniginnen:
- Glocknerkönig Classic Toni Tähti 1:18:33
- Glocknerkönigin Classic Janine Meyer 1:24:50
- Glocknerkönig Ultra Pascal Wiederhold 1:26:25
- Glocknerkönigin Ultra Corina Pichler 1:42:32
- Glocknerkönig Light Wolfgang Hofmann 53:34
- Glocknerkönigin Light Yasmin Anstru 1:09:56
Bei Wiener Schnitzel, Kaiserschmarrn, Almdudler oder Bier ließ es die "Glockner-Family" bei der gut besuchten Siegerehrung standesgemäß ausklingen.
Gefühlte "Glocknerkönige" aus Regensburg im Glücksrausch
Vorfreude ist die beste Freude. Von daher schon mal den 2. Juni 2024 rot im Kalender markieren, um bei der 27. Auflage des Glocknerkönigs dabei zu sein! Vielleicht zeigt sich Petrus wohlgesonnen:-)