Winterradeln - Mehrfachprophylaxe für Körper, Geist und Seele

Obwohl der meteorologische Winteranfang erst am 1. Dezember beginnt, hat sich der Winter in den letzten Novembertagen eisern festgesetzt. Ein Tiefdruckgebiet jagt das nächste und flutet das Land mit polarer Kaltluft, was selbst in Niederungen für eine weiß überzuckerte Winterlandschaft sorgt. Kein Wunder, wenn die Motivation für Outdooraktivitäten in den Keller rauscht.

Fehlende Antriebskraft - melancholische Nullbock-Stimmung - Warmduscher-Mentalität? Da drängt sich die Gretechenfrage auf: Saisonende nur der Kälte wegen - aber wieso eigentlich? Solange der Untergrund nicht vereist ist, es nicht stürmt (Lebensgefahr im Wald) oder das Quecksilber in zweistellige Minusgrade rutscht, kann man der kalten Jahreszeit erstaunlich viele positive Seiten abgewinnen. Bewegt man sich draußen an der frischen Luft bläst den jahreszeitlich bedingten Verstimmungen (November-Blues) flugs aus dem Kopf. Dies gilt umso mehr, als dass uns der Mangel an Sonnenlicht durch grauverhangenen Wolkenhimmel, diffuses Tageslicht und Schmuddelwetter gründlich die Stimmung verhagelt. Schlamm, Regen, Kälte... Radfahren nur etwas für Masochisten? Ganz und gar nicht, denn mit dem optimalen Outfit schlägt man den widrigsten Wetterkapriolen absolut ein Schnippchen. 

Wie glücklich eine Ausfahrt im Winterwonderland tatsächlich macht, wissen nur diejenigen die den Sprung auf den Sattel wagen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man mit dem Cyclocrossrad, Gravelbike, Mountainbike oder ebike seine knarzende Akustik im frostigen Boden hört und bei jedem Ausatmen den Kältehauch wahrnimmt, weil das Glücksgefühl bei der Rückankunft dasselbe ist. Der Atemhauch ist rasch erklärt. Demnach passiert beim Einatmen zweierlei: Zum einen erwärmt sich die inhalierte Luft im Rachenraum und der Lunge, zum anderen reichert sich diese mit Wasser an. Dies geschieht, weil Lungenbläschen äußerst feine Membranen verfügen, um frischen Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen und Abfallprodukte des Stoffwechsels, Wasser und Kohlendioxid wiederum an sie abzugeben. Wird die Atemluft in eine frostige Umgebung ausgehaucht, kühlt sie samt dem darin enthaltenen gasförmigen Wasser ab. Da die Luft bei kälteren Temperaturen jedoch nur begrenzt gasförmiges Wasser aufnehmen kann wechselt sie vom gasförmigen in den flüssigen Zustand, d.h. sie kondensiert zu winzig kleinen Tröpfchen, die in der Luft umher schweben – welche den nebelartigen Atemhauch begründen. Die Atemkondensation hängt allerdings nicht allein von der Temperatur ab sondern auch davon, wie viele Wassermoleküle bereits in der Umgebungsluft enthalten sind. Im übrigen entstehen nach demselben Prinzip auch Regenwolken. 

Keine Frage, feuchtkaltes Sauwetter stellt Radfahrer vor besondere Herausforderungen. Sobald die Tage kürzer werden, Temperaturen sich dem Nullpunkt nähern oder gar ins zapfige Minus rutschen und Schnee- bzw. Eisglätte nichts Gutes verheißt, lässt sich der berühmt-berüchtigte „Innere Schweinehund“ nicht lange bitten. Dann bedarf es zäher Überwindungungskraft, um sich aufzuraffen und mutig den Fuß vor die Tür zu setzen oder gar sportlich aktiv zu werden. Doch werden einige (auch psychologische) Kniffe beherzigt, braucht man nicht mit sich zu hadern bzw. zwiegespalten zu sein. Bekanntlich gibt es ja kein schlechtes Wetter, sondern allenfalls - doppeltdeutig gemeint - nur "windige" Kleidung, womit wir beim Thema wären.

Trübe Stimmung, Müdigkeit und Antriebslosigkeit sind Anzeichen für den sogenannten "Winterblues". Hauptursache ist der jahreszeitlich bedingte Lichtmangel. In der kalten Jahreszeit signalisiert schwacher Lichteinfall über die Augen dem Gehirn herunterzufahren, während im Gleichklang die Produktion des Schlafhormoms Melantonin angeregt wird. Deshalb fühlen wir uns häufig müde, schlapp und antriebslos und sind obendrein für gelegentliche Stimmungstiefs empfänglich. Dabei gibt es eine relativ einfach Methode depressiven Verstimmungen präventiv entgegenzuwirken, was den Gang zum Arzt oder gar eine Medikamenteneinnahme in den meisten Fällen überflüssig macht.

Wer in freier Natur körperlich aktiv bleibt und aus dem Alltags-Hamsterrad ausbricht, schöpft in stiller Abgeschiedenheit neue Energien und fühlt sich nach einer anschließenden heißen Dusche wie ein neugeborener Mensch. Selbst im "Grau ist Grau" eröffnen sich ungeahnte Lichtblicke, die uns bleierne Alltagslast von den Schultern nimmt. Ob man eine Wanderung, Rad-, Langlauf-, Schneeschuh- oder Ski- Tour unternimmt, bleibt hinsichtlich der energetischen Wirkung auf den Organismus an und für sich belanglos. Hauptsache an der frischen Luft abschalten, sich fit halten und der Psyche sogenannte Entspannungseinheiten gönnen, um ins innere Gleichwicht zu kommen. Abgesehen davon tut man was für seine Fitness und stärkt obendrein seine Abwehrkräfte. Außerdem gilt: Wer raus in die Natur geht, steigert nicht nur das eigene Wohlbefinden sondern bringt seinen Körper, Geist und Seele in Einklang. Man bekommt den Kopf wieder frei, was im Handumdrehen für gute Laune sorgt.

Weil die Naturkulisse bewundernswerte Reize entfaltet, die manchmal mit verschneiter Landschaft ein wahres Wintermärchen hervorzaubert, sollte man tunlichst daran teilhaben. End of Season? Mitnichten, Gravelbiken, Crossbiken, Mountainbiken, E-biken - im optimierten "Wintertrimm" für Roß & Reiter - schließt die klaffende Of-Season-Lücke zur immunstärkenden Ganzjahressaison.  

Diejenigen, die sich noch nicht zum illustren Kreis abgehärteter Ganzjahresbiker zählen rümpfen bei der Vorstellung frostiger Winterausfahrten eher die Nase, als Verständnis dafür aufzubringen. Dass sie sich für's Winterbiking im wahrsten Sinne des Wortes nicht erwärmen wollen, ist verständlich. Im Prinzip wenig verwunderlich, wenn sich innerlich alles dagegen sträubt sich unangenehmen Wetter auszusetzen. Wer noch nicht den Reiz und damit auch die (Langzeit-) Wirkung einer spaßigen Winter-Action kennt, sollte es einfach mal ausprobieren. Man wird überrascht sein wie schnell die bewusstseinserweiternden (Natur-) Erlebnisse ein Stimmungshoch im Handumdrehen entfachen. Soviel ist sicher: hat man das irrsinnige Spaßpotential bei frostigem Winterwetter über knirschendem Pulverschnee einmal für sich entdeckt, möchte das sehr spezielle Naturerlebnis auf dem Cross- Gravel- oder Mountainbike ganz bestimmt nicht mehr missen. Von der heißen Dusche, entspannenden Couching und sonstigen redlich verdienten Dolce-Vita-Verwöhnmaßnahmen ganz zu schweigen.

Macht man sich im Vorfeld ein wenig schlau mit welchen positiven Effekten die winterliche Outdooraktivität behaftet ist, mag womöglich die reine Neugierde eine Initialzündung auslösen, um sich trotz innerer Widerstände auf den Sattel zu schwingen. Nicht ohne Grund schwärmen von Jahr zu Jahr mehr Zweiradfans aus, und zeigen der Jahreszeit sprichwörtlich die kalte Schulter. Manngifaltige Gesundheitseffekte sprechen jedenfalls für sich: Outdoorsport in der Kälte senkt z.B. Entzündungswerte, stärkt das Immunsystem, trainiert das Herz-Kreislaufsystem, wirkt stimulierend auf die Mitochondrien (Verbrennungskammern) - was wiederum den Stoffwechsel anregt - hebt die Stimmung, steigert die Fitness und sorgt schlussendlich für angenehmes Wohlbefinden. Alles in allem ein wundersames Allheilmittel, das uns widerstandsfähiger, ausgeglichener und stressresistenter macht. 

Der innere Schweinehund

Wenns nieselt, regnet, graupelt oder schneit, die Finger am Lenker klamm sind, Brillengläser andauernd beschlagen und dazu noch ein eiskalter Ostwind um die Ohren pfeift, dann ist bei aller Liebe das Radfahren oder Biken zugegebenermaßen auch nicht mehr das Gelbe vom Ei. Je nachdem aus welchem Holz man geschnitzt ist zeigt sich, ob man zur härteren Sorte von Mensch gehört (nur die Harten kommen in den Garten) und die jahreszeittypische Herausforderung annimmt. Niederschläge, klatschnasser oder gar schneeglatter Untergrund - Radfahren in der kalten Jahreszeit ist nicht generell ein Ponyhof. Für Empfindsamere spielt sich die "Musik" eher in beheizter Wohlfühl-Atmosphäre ab, wo sich die Pseudo-Aktivität schon mal auf den Gang in die Küche, das Zappen auf der Fernbedienung oder gediegenem Nickerchen beschränken kann.

Ausgerechnet dann, wenn man unentschlossen mit sich hadert, funkt ein ungebetener Zeitgenosse dazwischen und versucht, uns das Vorhaben draußen eine Runde zu drehen madig - sprich abspenstig zu machen. Keiner hat ihn je zu Gesicht bekommen, trotzdem kennt und fürchtet ihn jeder. Die Rede ist vom berühmt-berüchtigten inneren Schweinehund, der heuchlerisch und verführerisch vorgaukelt, wie alternativlos die kuschlige Komfortzone angeblich doch ist. Das Phantasiewesen steht quasi als Sinnbild für Willensschwäche, und schwingt sich manchmal zum Erzfeind des ehrgeizigen Sportlers auf. Dass der Widersacher augenscheinlich bei Miesepeterwetter bzw. wenn der Tatendrang über die Wintermonate eh zu wünschen übrig lässt, "manipulativ" ins Bewusstsein durchdringt und gnadenlos rebelliert macht die geistige Hängepartie zwischen Pro & Contra nicht einfacher. Steht die Entscheidung Spitz auf Knopf, braucht es eiserne Disziplin, um sich "kaltschneuzig" eben nicht für den Weg des geringeren Widerstands zu entscheiden, sondern sich aufzurappeln den Fuß vor die Tür zu setzen. Hängt das Für und Wider am seidenen Faden fordert das Zaudern unweigerlich die Willensstärke heraus. Doch wie heißt es so schön: der Ober sticht den Unter. Wappnet man sich mit entsprechender Funktionskleidung bzw. hat clevere Motivationstricks auf Lager, verfügt man ein Ass im Ärmel, das den inneren Schweinehund sang und klanglos aussticht und schwuppdiwupp zum braven Schoßhündchen zurückstutzt.

In der Regel sind Unlust und Demotivation vorübergehende Phasen, die vornehmlich in der lichtschwachen Jahreszeit auftreten. Mit hartnäckigen Motivationstiefs muss man sich vor allem von November bis Februar herumschlagen, bevor die stärker werdende Märzsonne Frühlingsgefühle weckt. Zeitweise fühlt man sich erschöpft und zu keiner Aufgabe mehr fähig. Am liebsten möchte man abtauchen, sich unter der Decke verkriechen und unter keinen Umständen das Haus verlassen, geschweige denn sportlich aktiv zu werden. Falls (nass-) kaltes Wetter einen Strich durch die Rechnung macht braucht es zuweilen einen "Schubs", um seine innere Blockade zu lösen und sein Motivationsloch zu überwinden. Frei nach dem Zitat von Friedrich Wilhelm Nietzsche: "was mich nicht umbringt, macht mich stärker".

Extremitäten - die kälteempfindliche "Achillesferse" des Menschen

Gliedmaßen bedürfen einen besonderen Wärme- und Feuchtigkeitsschutz, da die Körperenden beim Biken aufgrund der windexponierten Lage trotz körperlicher Aktivität am meisten gefährdet sind, zu erkalten. Das ist nicht nur unangenehm, sondern kann u.U. auch sehr schmerzhaft sein. Umso kälter es nämlich ist, desto stärker drosselt der Körper die Durchblutung von Händen und Füßen, damit durch verengte Blutgefäße Wärmeenergie gespart wird. Das größte Problem: sind Füße/Hände erst mal taubgefroren, kriecht die partielle Kälte unaufhaltsam in alle Körperpartien weiter. Ein Umkehrprozess, d.h. komplette Wiedererwärmung ist dann selbst bei größerer Kraftanstrengung kaum mehr möglich. Ist der gesamte Körper ausgekühlt hilft nur ein Aufenthalt in beheizten Innenräumen (aufgewärmte Gaststube).

 Vorsicht ist bei Stillstandzeiten bzw. Pauseneinkehr geboten, da Körperwärme bei Passivität rasend schnell verloren geht. Beim Pausenstopp sollten nassgeschwitzte Klamotten schleunigst gewechselt werden (Wechselkleidung einpacken). Ansonsten beschleunigt erkalteteter Schweiß auf der Haut den Auskühlungsprozess, was das Immunsystem schwächt und Erkältungsrisiken erhöht.

Mit ca. 30°C sind Finger und Füße grundsätzlich kälter als der Körperkern. Erkalten sie, sinkt die Hauttemperatur dort auf 10°C oder gar darunter ab. Erfrierungen drohen, wenn die Hauttemperatur unter 0°C sinkt. Deshalb haben ein wind- und wasserdichtes Schuhwerk - genauso wie Winterhandschuhe oberste Priorität. Gefütterte Winterschuhe mit griffiger Sohle und wasserabweisendem Obermaterial dichten nicht nur besser als herkömmliche "Sommertreter", sondern absorbieren die Kälte wirkungsvoller. Außerdem vermeidet der höhere Schaft das Eindringen von Schnee und Nässe. Sobald sich Feuchtigkeit im Schuh befindet gibt der Fuß vermehrt Wärme nach außen ab, wodurch zusätzliche Verdunstungskälte entsteht. Eine wasserdichte Membran und geklebte und gedichtete Cleat-Aufnahmen sorgen dafür, dass empfindsame Füße trocken und somit warm bleiben. Durch die isolierende Schutzschicht entweicht somit nur minmale Wärme was eine Auskühlung unterbindet. Kombiniert mit Überziehschuhen - gefertigt aus einer wasserdichten Membran oder Neopren - ist man gegen Frost, Schnee und Regen professionell gewappnet. Nicht zu vergessen Thermosocken, die eine gute Isolationswirkung ohne zusätzliches Volumen erzielen. Wem das noch nicht ausreicht, bettet seine Füße auf (Lammfell-) Einlegesohlen mit kälteabsorbierender Alubeschichtung.

Für chronisch unterkühlte "Frostbeulen" kommen ggf. Einmal-Heizsohleneinlagen, die bis zu 8 Stunden wärmen, in Frage. Wenngleich gern mit 100% gen natürlichen Inhaltsstoffen geworben wird, bleibt unter Umweltgesichtspunkten die Einmalverwendung allerdings fragwürdig. Empfehlung: beheizbare Einlagesohlen.

Halten wir fest: sind die Füße warm und trocken verpackt sinkt die Unterkühlungsgefahr und somit auch das Risiko, sich eine Erkältung oder Infekt einzufangen.

 Winterstiefel etwas größer kaufen, sodass genügend Platz für dickere (Thermo-) Socken bzw. Lammfellsohle mit Alubeschichtung bleibt, die die Cleats-Kältebrücke abschwächt.

Für kälteempfindliche Hände bzw. Temperaturen um den Gefrierpunkt oder darunter eignen sich winddichte, wärmende, wasserabweisende und atmungsaktive "Lobster- oder Hummerfäustlinge", bei denen außer Daumen und Zeigefinger je nach Modellvariante entweder zwei oder drei Finger zusammen im Handschuh stecken. Die Finger bleiben durch flauschiges Innengewebe nicht nur wärmer, sondern bieten im Gegensatz zu Fäustlingen die nur den Daumen separieren eine etwas feinfühligere Bedienbarkeit der Schalt- und Bremshebel. Darüber hinaus gibt es auch beheizbare Handschuhmodelle oder Modelle, in die Heizkissen hinein passen. Last but not least: sogenannte Linergloves (dünne Unterziehhandschuhe) deren isolierendes Luftpolster für zusätzliche Wärme sorgt. Besonders praktisch sind touchscreenfähige Handschuhe, mit denen das Smartphone bzw. Navigerät bedient werden kann, ohne jedesmal umständlich aus den Handwärmern schlüpfen zu müssen.

Winter-Dresscode 

Zur unverzichtbaren Standardausrüstung gehören: 

  • Winterschuhe mit höherem Schaft
  • gepolsterte Handschuhe 
  • atmungsaktive Kleidungsschichten (u.a. atmungsaktiver Baselayer, Thermo-Langarmshirt, angerauhtes Langarmtrickot (Fleece-Innenfutter)
  • Winterjacke /  Softshelljacke
  • Kopfhaube / Sturmhaube
  • wasserdichte/abweisende Regenjacke
  • Thermohose 
  • knielange Bike-Short (zum Überziehen) 

  • Regenhose

  • Thermosocken
  • Schaltuch
  • Helmüberziehmütze
  • Isolierte Trinkflasche (für Heißgetränke)
  • Sicherheit geht vor: Kleidungsreflektoren, Warnweste 

 Gut zu wissen: Winddichte Bekleidung ist bis zu dreimal atmungsaktiver als wasserdichte Textilien. Ziehen nicht gerade sintflutartige Regenfälle übers Land bzw. wer einen sportlichen Fahrstil pflegt (stärkere Schweißbildung) ist gut beraten, eine wasserabweisende Kleidung (z.B.Winter-Softshelljacke) einem wasserdichten Schutz (Gefahr von Hitzestau) vorzuziehen.

In diesem Sinne: los geht's, rein in die Klamotten, rauf auf den Sattel und raus ins zauberhafte Winterwunderland.