Historie der Lokalbahn Wutzlhofen - Falkenstein
Der politische Entscheidungsprozess
Als Falkenstein 1879
sein Landgericht an das Amtsgericht Roding abgeben
musste reifte notgedrungen die Vision eines Eisenbahnanschlusses,
um wieder an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung
zu gewinnen. 1896 wurde das offizielle Bahnbaukomitee
gegründet, das fortwährend unerbittlich
bemüht war, den Landtag in München mit „untertänigsten“
und „gehorsamsten“ „Bittgesuchen“
in tiefster Ehrfurcht von der Notwendigkeit einer
Bahnlinie nach Falkenstein zu überzeugen.
1896: Petitionen an den Landtag:
ursprüngliche Projektierung via Regensburg /
Walhallastraße – Donaustauf – Forstmühle
– Schillertswiesen – Falkenstein. Die
Gemeinden Nittenau und Roding, unterstützten
dagegen die Streckenführungen entlang des Regentals
nach Bodenwöhr bzw. Walderbach bis Roding.
1898: Wörth a.d.Donau und Wiesent
planten die Fortführung der Walhallabahn, weshalb
das Bahnkomitee Falkenstein seine Taktik änderte
und sich 1899 auf die Strecke Wutzlhofen – Bernhardswald
– Rossbach – Falkenstein festlegte –
jene Trassenführung, wie sie 14 Jahre später
tatsächlich gebaut wurde.
1900 Erste Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen
für unterschiedliche Trassenführungen, wonach
die Verlängerung nach Cham dem „Rotstift“
zum Opfer fiel. Nach einem regelrechten Petitionsbombardement
gingen die Initiatoren für den Bahnstreckenbau
1907 in die „Schlussoffensive.
So mussten damals sämtliche Gemeinden den erforderlichen
Bahnbaugrund kostenlos zur Verfügung stellen
und für Zufahrts-, Ladestraßen wie auch
Quellen für Nutz-, u. Trinkwasser sorgen. Ebenso
wurden die Gemeinden für die Errichtung der Bahnhöfe,
Warte-, Dienst-, u. Güterräume sowie dessen
Unterhaltung in die Pflicht genommen. Der jährliche
Fahrkartenverkauf wurde auf 60 000 Fahrkarten geschätzt,
sowie die Gütertransportmenge auf 42 000 Tonnen
prognostiziert. Mit diesen positiven Zukunftsaussichten
und umfangreichen Zusagen ausgestattet, wandte sich
das Bahnkomitee Falkenstein (42 Gemeinden) an das
Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten,
worauf 1908 die Lokalbahn Wutzlhofen
– Falkenstein in den Gesetzentwurf aufgenommen
wurde.
Bahnbau & Feierliche Eröffnung
Im Juli 1912 wurde das Bahnbauprojekt
begonnen. Der Bahnbau kostete 2 455 017 Mark –
ohne Eigenleistungen der Gemeinden und Privatleute
(Unternehmer).
Am 21. Dezember 1913 unter großer
Anteilnahme der Bevölkerung offiziell eingeweiht.
Obwohl 5 Bahnbrücken und 9 Wegbrücken erforderlich
waren, konnte die Bahnstrecke 3 Monate vor dem geplanten
Fertigstellungszeitpunkt seiner Bestimmung kurz vor
Ausbruch des 1. Weltkrieges übergeben werden.
Die Frage bleibt unbeantwortet, ob ansonsten die Falkensteiner
jemals ihre Bahn bekommen hätten.
Die Bevölkerung empfing „ihren“ mit
Tannengrün geschmückten Eröffnungszug
frenetisch. Im Gasthof zur Post labten geladene Festgäste
wie Landadel, Vertreter der Eisenbahndirektion, Geistlichkeit,
Bürgermeister und Vertreter des Bezirksamtes
am Festmahl.
"Seid willkommen, hohe Herren, seid gegrüßt
viel tausendmal, willkommen winken Euch die Bäume,
willkommen hallt es von Berg zu Tal. Uns ist jetzt
die Welt erst offen, die verschlossen unserem Sinn;
andern ist der Born erschlossen, der da bringt viel
Schönheit drin! Reich an Steinen ist die Heimat,
arm an Geld ist jedes Kind, darum bitten wir die Herren,
daß sie uns recht gnädig sind! Laßt
uns Ratisbona schauen, doch die Fahrt, die gebt uns
frei! Ja wir bitten Euch recht herzlich, daß
es nicht vergeblich sei! Statt des Geldes nehmt die
Freude, nehmt den Dank für unsere Fahrt! Hunderte
von Kehlen jubeln dem, durch den die Freud' uns ward!"
Quelle: mit diesem Gedicht begrüßte
die 10 jährige Bürgermeistertochter am 22.12.1913
die Fahrgäste des Eröffnungszuges in Falkenstein.
Während die „Bahnhof-Haltestellen“
in Wenzenbach, Bernhardswald, Hauzendorf, Rossbach-Wald,
Hetzenbach, Gfäll und der Endbahnhof Falkenstein
über Dienst-, und Warteräume, Toiletten,
Güterhallen und z.T. Ladegleise, Ladewaagen,
Wasserstationen, Wasserkräne verfügten,
blieben die Haltepunkte Irlbach, Erlbach, Lampertsneukirchen,
Schillertswiesen dem Personenverkehr
vorbehalten. Schwerpunkt für Güterumschlagplätze
bildete Rossbach-Wald, dessen 3 Ladegleise die Steinverladung
aus den umliegenden Steinbrüchen ermöglichte,
sowie Gfäll, wo vornehmlich Vieh und Waldfrüchte
verladen wurden. Der Endbahnhof Falkenstein bestand
aus Umfahr-, Hinterstell-, Industrie-, 2 Lade- und
2 Lokomotivschuppengleisen. 2 Güterhallen, Postkarrenraum
und Lokomotivremise mit Wohnungsanbauten vervollständigte
die Eisenbahn-Infrastruktur.
82 Stellen galten als nicht- bzw. schwer einsehbare,
schienengleiche Bahnübergänge, wo der Zug
die Geschwindigkeit auf 15 km/h drosseln musste.
Die Bahnlinie verlief ab Regensburg HBF zunächst
7, 6 km auf der Hauptstrecke Regensburg – Hof.
In Wutzlhofen, dessen Bahnhof an der 1859 eröffneten
Hauptstrecke Regensburg – Hof lag, zweigte die
Lokalbahnstrecke ab. Obwohl die Luftlinie nach Falkenstein
nur 25 km beträgt, maß der gewundene Bahntrassenverlauf
35.4 km Länge.
Epochale Entwicklung des Fremdenverkehrs
Schon der Bahnbau veränderte die
damalige fest gefügte Dorfwelt erheblich.
Das Eisenbahnzeitalter wirbelte aber nicht nur die
gesellschaftliche Sozialstruktur durcheinander, sondern
förderte den Fremdenverkehr in der bislang verkehrstechnisch
abgelegenen Region. Zählte doch Falkenstein bereits
zur Jahrhundertwende zu den schönsten Sommerfrischen
des Bayerischen Waldes.
Von der Streckeninbetriebnahme wurden wichtige wirtschaftliche
Impulse erwartet, lagen die nächstgelegenen Bahnanschlüsse
immerhin 15 km in Wörth a.d.Donau bzw. Roding
entfernt, was z.B. eine mehrstündige Postkutschenfahrt
erforderte. So fuhr um 2 Uhr früh eine Postkutsche
zum Bahnhof Wörth, um den 5.00 – Uhr –
Zuganschluss nach Regensburg zu wahren, der um 8.00
Uhr in Stadt am Hof einlief. In umgekehrter Fahrtrichtung
fuhr der Zug abends um 18.00 ab – bedingt durch
den Höhenunterschied von 300 m ab Wörth
dauerte die Fahrt noch länger – wo man
„halbgerädert“ Falkenstein zwischen
23.00 und 24.00 Uhr erreichte.
Reisen in die nähere Umgebung war bislang nur
mühsam zu Fuß, auf einem Fuhrwerk oder
Postkutsche möglich. Fahrräder waren nahezu
unerschwinglich.
Die einheimische Bevölkerung war bei Wind und
Wetter, Schnee und Kälte zu langen Fußmärschen
gezwungen, wollte man seinen Heimatort verlassen.
Als „Transportmedium“ existierten zu dieser
Zeit in Falkenstein 9 Fahrräder mit Vollgummireifen,
sowie eine seit 1875 bestehende Postkutschenverbindung
von Falkenstein nach Roding (ab 1890 nach Straubing
bzw. Wörth a.d.Donau).
So lag es auf der Hand, dass für Gewerbetreibende,
Privatleute, Einheimische wie den Fremdenverkehr die
Bahnanbindung des Vorderen Bayerischen Waldes eine
bedeutsame Wende brachte. Die Einschnitte und der
ausgelöste Fortschritt waren so prägnant,
dass eine neue Zeitenrechnung für die Menschen
begann. War es bis zu dieser Zeit kaum möglich,
an 1 Tag mit der Postkutsche von Regensburg nach Falkenstein
und zurück zu „reisen“, so erlaubte
die Eisenbahngeschwindigkeit eine Tagesreise von Falkenstein
nach München und zurück. Für damalige
Verhältnisse eine gigantische Dimension in Raum
und Zeit, die wirtschaftlich wie sozial Umwälzungen
von nicht gekanntem Ausmaß mit sich brachte.
Die Lokalbahn stieß sozusagen die Tür zur
Außenwelt auf und veränderte die Jahrhunderte
währende Relation von Entfernung und Zeit. Der
Personen- wie Gütertransport bewegte sich in
beiden Fahrtrichtungen: einmal konnten heimische Produkte
(Steinindustrie, Waldfrüchte etc.) ferne Märkte
erreichen, sowie Einheimische in die für sie
bis dahin unbekannte „Außenwelt“
reisen oder täglich zur Arbeitsstätte pendeln.
Andererseits kamen Fremde (Urlauber, Kurzausflügler,
Arbeiter) aus aller Welt in den Falkensteiner Vorwald.
Schon während des Bahnbaus entstanden Gasthäuser
und Unterkünfte, um die Fremdarbeiter unterbringen
zu können. Die ersten „Fernreisenden“
(Sommerfrischler) kamen in der Nachkriegszeit aus
dem Ruhrgebiet und wurden von den Einheimischen liebevoll
„Hamsterer“ genannt, da sie oft mit Säcken
Kartoffeln und diversen Waldfrüchten bepackt
die Heimreise antraten.
Aber nicht nur Gäste aus allen Ecken Deutschlands
zog die unberührte Natur an. Weitab von der Großstadthektik
fanden auch viele Stadtbewohner aus Regensburg oder
Landbewohner aus der näheren Umgebung den Weg
nach Falkenstein, um Erholung und Entspannung in der
Naturidylle zu genießen. Die Bahnverbindung
machte einen Tagesausflug nach Falkenstein möglich,
bevor abends die 2 stündige Heimreise mit dem
Abendzug angetreten wurde.
1936 befuhren zwar die ersten dieselbetriebenen
Triebwägen – aufgrund der Energieknappheit
im 2. Weltkrieg (Diesel wurde für die Kriegsmaschinerie
benötigt), wurden wieder Dampfloks eingesetzt.
Laut Kursbuch belief die Fahrtzeit 1946
von Falkenstein nach Regensburg 2 Std. 13 min., bei
der die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h) nicht
überschritten wurde. Ein Vergleich mit der Gegenwart
zeigt die Relation von Geschwindigkeit: ein einigermaßen
gut konditionierter Radler schafft heute diese Distanz
in kürzerer Zeit.
Den Reiz der Bahnstrecke genossen die
Regensburger bis in die 60 er Jahre, bevor das Auto
das individuelle Mobilitätszeitalter einläutete.
Besonders an Sonntagen stürmten Ausflügler
den legendären „Schwammerl-Express“.
Aber auch die Gegenrichtung wurde von der Landbevölkerung
rege genutzt, um zu den Arbeits- oder Ausbildungsplätzen
in Regensburg zu pendeln.
Von der Eisenbahnlinie zum Bahntrassen - Radweg
Am 3.06.1984 wurde
der Reiseverkehr auf der Bahnstrecke eingestellt,
und am 2.06.85 fand die letzte Sonderfahrt
statt. Der schwarze Sarg mit der Aufschrift „alles
macha’s kaputt“, trugen Falkensteiner
Moritatensänger die 70 Jahre alte Eisenbahn zu
Grabe. Der symbolträchtige Sarg wird seitdem
im Oberpfälzer Volkskundemuseum in Burglengenfeld
aufbewahrt.
Eine Gedenktafel im Fels bei KM 7.1 erinnert vorbeiradelnde
Radtouristen an das Bestehen der Bahnlinie von 1913
– 1985.
Der Radwegebau fand zwischen 1987
und 1992 statt. 7 500 Kubikmeter Gleisschotter
wurden allein im Landkreis Regensburg (18 km Länge)
abgetragen, bevor eine 20 cm dicke feine Tragschicht,
und mehrlagige Deckschicht aus Bitumen und Split aufgetragen
wurde.
1992 wurde die Eisenbahnbrücke
in Falkenstein abgerissen und auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände
ein Einkaufszentrum errichtet.
Während 8.6 km innerhalb des Landkreises Regensburg
teilasphaltiert sind, wurde im Landkreis Cham aus
Umweltschutzgründen eine wassergebundene Sand-Kiesoberfläche
aufgetragen. Der Radweg ist 2.50 m breit – inklusive
Seitenstreifen beträgt die Kronenbreite 3.50
m. Trotz umfangreicher Erdbewegungen (8 200 Kubikmeter),
blieben der Umwelt zu Liebe Randvegetation, Feuchtbiotope
und Trockenkulturen unangetastet.
2008 wurde die 1.5 km lange Lücke
von Wutzlhofen nach Gonnersdorf mit dem Ergänzungsbau
der wassergebundenen Radwegetrasse geschlossen.
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