Radfahren - die beste Rund-Um-Gesundheitsvorsorge

Was geflissentlich unterschätzt wird: nicht nur das Material will auf „Vordermann“ gebracht sein sondern auch der menschliche „Motor“ möchte im Frühjahr nach längerer Radabtinenz behutsam auf Touren kommen. Dies gilt umso mehr, je weniger der Körper über die Kältemonate ausbelastet war. Nachdem körperliche Passivität zulasten der Kondition geht und zu allem Überfluss womöglich das Körpergewicht erhöhte, gestalten sich die ersten Kilometer im Sattel demenstrechend etwas mühsam. Völlig normal wenn es hier und da zwackt, denn das Sitzfleisch, Beinmuskulatur und Bewegungsapparat wollen strapaziert sein, bevor ein runder und schmerzfreier Tritt wieder flutscht wie ehedem. 

Radfahrer, die beständig Kilometer abspulen leisten eine vollumfängliche Rund-Um-Gesundheitsvorsorge. Abgesehen davon, dass das Radlervolk x- Tonnen CO2-Emissionen einspart und zur besseren Luftqualität sowie Reduzierung des verkehrsbedingten Lärms beiträgt, tun Radfahrer ihrem Organismus nämlich nur gutes. Radausflüge in frischer Luft bringt nicht nur den Kreislauf in Schwung, sondern stärkt das Herz-Kreislauf-System, verbessert Blutzucker- und Blutfettwerte, regt das Immunsystem an und hält den Bewegungsapparat gelenkschonend geschmeidig. Dazu wird das Herz und Lunge bei gleichmäßiger Trittfrequenz moderat belastet und auf Dauer gekräftigt. 

Dass Radfahren den Körperfettanteil zugunsten des Muskelanteils verschiebt, Hüft- und Bauchgold reduziert dürfte diejeneigen umso mehr freuen, die zu viel auf den Rippen haben. Im Wohlfühltempo (Pulsfrequenz ca. 60% vom Maximalpuls) anstrengungsfrei dahingerollt schnappt sich der aktivierte Fettstoffwechsel Fettreserven als Brennstoff und verfeuert stündlich etwa 500 kcal, wobei das Körpergewicht per se noch nichts über die Verteilung bzw. das Verhältnis von Fett und Muskeln aussagt. Leider macht es die Stoffwechselumstellung im zunehmenden Alter nicht einfach, sein Wunsch- bzw. Idealgewicht über Jahre zu halten. Denn ab dem 30. Lebensjahr wandelt der Körper zunehmend Muskulatur in Fettgewebe (jährlich ca. ein 1 Pfund). Dazu sinkt die Leistung und Fähigkeit der Muskulatur, ihrerseits Fett zu verbrennen. Mittels Body-Mass-Index (BMI) lässt sich rasch und unkomplziert ermitteln, ob man im Normgewicht liegt oder unter- bzw. übergewichtig ist. BMI= Körpergewicht [kg] dividiert durch das Quadrat der Körpergröße [m2]. 

  Jeder zweite Bayer ist zu "gwampert"

Dem Großteil der bayerischen Bevölkerung scheint ihr Essen gut zu schmecken. Resultat: laut Statistischen Landesamt in München (Erhebung 2013) schlägt sich jeder zweite Erwachsene (51 %) im Freistaat mit lästigem Übergewicht herum. Den Erhebungen zufolge neigen Männer (60 %) eher zum Speckansatz als Frauen (41 %). Die Übergewichtigen wogen mehr, als der Body-Mass-Index vorgibt. Im Durchschnitt brachten die Männer knapp 84 kg ( bei einer Körpergröße von 1,78 m) und Frauen bei einer Körpergröße von 1,65 m gut 67 kg auf die Waage. Eine dauerhafte Gewichtsreduzierung führt an einer Ernährungsumstellung und mehr Bewegungsaktivität nicht vorbei. Bayerisches Sprichwort mit einem Schuß Selbstironie: "I gangat gern auf d' Kampenwand, wann i mit meiner Wamp'n kannt". Frei übersetzt: Ich ginge gerne auf die Kampenwand, wenn ich es mit meinem dicken Bauch könnte.

Sofern Wiedereinsteiger jahrelang sportlich inaktiv waren und über 35 Lenze zählen, rät Prof. Herbert Löllgen von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention zum ärztlichen Gesundheitscheck. Was nicht heißt, dass ein solcher Check bei gesunden Menschen überflüssig wäre, wie Prof. Winfried Banzer vom Institut für Sportwissenschaften an der Universität Frankfurt ausdrücklich betont. 

In der Ruhe liegt die Kraft

Da sich Fahrspaß in erster Linie über die Wohlfühlgeschwindigkeit, dem Streckenprofil und Fahrbahnzustand definiert, ist in den ersten Wochen nach dem Wiedereinstieg eine schonende Gangart ratsam. Keinesfalls sollte man sich über Gebühr zu verausgaben. Ansonsten lagert sich nach übermotivierten Kaltstarts Milchsäure (Laktat) ab, der schmerzvollen Muskelkater auslöst. Wird nämlich von der Muskulatur Leistung abverlangt, dessen Sauerstoffbedarf über dem liegt, was durch das Blut zuführbar ist, bildet sich die fehlende Energie über Milchsäuregärung. Folge: die Leistungsfähigkeit rutscht in den Keller, wobei der Muskelkater sich als nervige Spaßbremse entpuppt. Milchsäure ist das Endprodukt des anaeroben, sprich sauerstoffarmen Stoffwechsels (Abfallprodukt aus dem Kohlenhydratstoffwechsel).

Deshalb ist es ratsam mit „gezogenem Choke“  flache Kurztrips locker anzugehen, meditative Impulse aufzunehmen und sich von der Natur inspirieren zu lassen. Befreit von überzogenem Leistungsstreben gewöhnt sich der Körper stufenweise an Belastungen und kommt schonend wieder in Schwung. Die jeweilig optimale Belastungsintensität vermittelt das Körpergefühl - der wichtigste Coach eines jeden Radlerfahrers. Werden die Körpersignale richtig gedeutet und entsprechend beachtet, der kann seine Belastung optimal steuern. Die Freude über das bewältigte Pensum schmälert eine entschleunigte Fahrweise nicht im geringsten. Ganz im Gegenteil, sie bietet den idealen Ausgleich zur leistungsfordernden Arbeitswelt bzw. verspricht ein Megaplus an Genuss und Erlebnisreichtum. Wird Gelassenheit und Muße - was Radtouren grundsätzlich ein tieferes Verständnis abringt - beherzigt, kommt dem erstrebenswerten Motto "Der Weg ist das Ziel" doch schon sehr nahe. Nur geschärfte Sinne ermöglichen vorzugsweise in einsamen Rückzugsrefugien - kleine Paradiese auf Erden zu entdecken. Ansonsten bleibt manches Juwel am Wegesrand unentdeckt und radelt ahnungslos daran vorbei. Langsamkeit wie Aufmerksamkeit sind Trumpf. In Abhängigkeit des Fitnessstands unterstützen Pausen und anschließende Regenerationsphasen wirksam den Revitalisierungseffekt. 

Nach monatelanger Winterpause machen sich schon binnen weniger Radtouren Veränderungsprozesse des Körpers bemerkbar. Spürbare Erfolge wie beispielsweise ein verbessertes Körper- und Zufriedenheitsgefühl motiviert geradewegs zu regelmäßigem Radfahren. Hat man sich erst mal überwunden und aufgerafft kraftvoll in die Pedale zu treten, steigt die Wahrscheinlichkeit am Ball zu bleiben. Von dieser Aktivitätsspirale profitieren Physis und Psyche gleichermaßen. Neben äußerlich erkennbaren Anzeichen, wie Rückgang des Körperfettanteils unter gleichzeitiger Zunahme des Muskelanteils, vollzieht sich im Inneren des Körpers ein wahres Anpassungsfeuerwerk: die Herz- und Atemleistung wird ökonomisiert, was geringerer Energieverbrauch bedeutet, auch die Stoffwechselaktivierung bzw. Durchblutung verbessert sich. In Verbindung mit dem höheren Energieumsatz erfolgt stoffwechselbedingt dann eine Gewichtsabnahme, wenn sich die Reduktion des Körperfettanteils unterm Strich gewichtsmäßig stärker auswirkt als die Muskelmassenneubildung. 

Gehen die Kraftressourcen zu Neige, schmerzt die Muskulatur und lässt vielleicht noch die Konzentration nach, dann ist allerhöchste Zeit für eine Pause. Abgesenkter Blutzuckerspiegel, leere Glykogenspeicher und erhöhter Laktatspiegel wollen ins Lot gebracht werden, um den Körper aus dem Erschöpfungszustand raus zu holen.

Neben eingelagerten Kohlehydrate sind Fette (nahezu unbegrenzt verfügbar) im Körper die wichtigsten Energiespeicher. Das Speichervolumen eines 70 kg schweren Mannes liegt bei ungefähr 600 g Kohlenhydrate. Diese verteilen sich in der Blutbahn (5 g), der Leber (ca. 100 g)  und den Muskeln (500 g) was insgesamt ca. 2500 kcal ergibt. Bei erhöhtem Energiebedarf nutzen Muskelzellen, Leber und Nieren gespeichertes Glykogen, was belastungsabhängig zu Glucose aufgespalten wird. Den regenerativen Rest erledigt unser Organismus nach Tour-Ende sprichwörtlich im Schlaf, indem der Körper nach steten Belastungswiederholungen in darauf folgenden Ruhephasen mit einer Fülle physischer Anpassungen reagiert. Geringste muskuläre Funktionsstörungen und Verletzungen wie Muskelkrämpfe, Verspannungen, Verzerrungen oder Muskelkater werden selbständig repariert. Kapsel-, Muskel- und Bandapparate bis hin zum Immunsystem durchlaufen das Programm der Wiederherstellungs- und Pflegephase, was den Körper vor künftiger Überbelastung schützt. Ein wahres Wunderwerk der Selbstregulierung.