Fahrrad-Bußgeldkatalog

Der neue Bußgeldkatalog 2022 ist in Kraft. Zwar soll dieser den Fahrrad- und Fußverkehr besser schützen, doch bei Zuwiderhandlungen drohen auch Radfahrern mitunter empfindliche Strafen.

Den Straßenverkehr regelt in Deutschland die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Nun trat am 9. November 2021 eine Neufassung in Kraft, die teils drastische Bußgelderhöhungen beinhaltet. Wer beispielsweise auf einem Radweg links der Fahrbahn vorschriftswidrig fährt, zahlt künftig statt 10 saftige 55 Euro Strafe. Das gleiche gilt auch für das Fahren auf dem Gehweg.

Der Bußgeldkatalog nach StVO listet für Fahrradfahrer eine Reihe von Verstößen auf. Allerdings werden weitere Verstöße geahndet die der Bußgeldkatalog nicht enthält. So orientiert sich bei den nicht aufgeführten Verkehrsverstößen das zu verhängende Bußgeld in der Regel an der Hälfte dessen, was PKW-Fahrer für den jeweiligen Verstoß üblicherweise hätten zahlen müssen. Eine allgemeine Praxis, die den meisten Radfahrern wohl eher nicht bekannt sein dürfte.

Hinweis: Veröffentlichungserlaubnis mit freundlicher Zustimmung der diensthabenden Beamten auf der IAA Mobility in München

Im Straßenverkehr gilt für Fahrradfahrer wie für alle anderen Verkehrsteilnehmer die allgemeine Sorgfaltspflicht. Nach § 1 Absatz 2 StVO müssen sich Verkehrsteilnehmer zu jederzeit so verhalten, dass niemand anderes geschädigt, gefährdet oder behindert wird. 

Zu schnell mit dem Fahrrad

Grundsätzlich gibt es keine festgeschriebene Höchstgeschwindigkeit für Fahrradfahrer in Deutschland. Wer zu schnell unterwegs ist, dem können unter gewissen Voraussetzungen trotz alledem Strafen drohen. Hierfür greift der Passus „unangepasste Geschwindigkeit“, worauf Radfahrer immer achten sollten. Wer mit seinem Rennrad bergab auf einem Radweg mit angrenzendem Bürgersteig beispielsweise 50 km/h fährt, kann u.U. wegen „unangepasster Geschwindigkeit“ bestraft werden, weil womöglich durch die hohe Geschwindigkeit Fußgänger bzw. andere Fahrradfahrer gefährdet sein können. 

Bei Fahrrädern mit elektrischer Unterstützung, den sogenannten Pedelecs, hängt die gesetzliche Betrachtung von der spezifischen Höchstgeschwindigkeit des Fahrrads ab. So zählen Pedelecs in der StVO nur dann als Fahrräder, wenn sie bauartbedingt maximal 25 km/h fahren. Leistet ein Pedelec eine höhere Geschwindigkeit so gilt es nicht mehr als Fahrrad. Für den Fall ist ein Versicherungskennzeichen und eine allgemeine Betriebserlaubnis zwingend erforderlich. Zudem ist der Fahrer verpflichtet einen Helm zu tragen sowie über eine entsprechende Fahrerlaubnis (Führerschein Klasse AM) zu verfügen. Außerdem muss er mindestens 16 Jahre sein. Für sogenannte S-Pedelecs gelten dieselben Geschwindigkeitsbegrenzungen wie für Roller, Motorräder und Pkw.

Mindestens in einer Woche pro Jahr kontrolliert die Polizei verstärkt Radfahrer. Dabei werden nicht nur Verkehrsverstöße geahndet, sondern die Räder auch auf ihre Verkehrstauglichkeit überprüft. Dazu zählen in erster Linie Bremsen und Beleuchtung. In Anbetracht der hohen Zuwachsraten von E-Bikes und Pedelecs achtet die Polizei verstärkt auf technische Manipulationen. Geschulten Polizeibeamten ist es nicht entgangen, dass immer häufiger an der Motorleistung frisiert wird, um höhere Geschwindigkeiten zu erzielen. Turnusgemäße Schwerpunktüberprüfungen beabsichtigen, den Kontrolldruck zu erhöhen - getragen von der Hoffnung - dass sich Radfahrer künftig auch dann an die Verkehrsregeln halten, wenn kein uniformierter Polizeibeamter in Sichtweite ist. 

Fahrradfahren unter Alkoholeinfluss

Wer betrunken Fahrrad fährt, riskiert nicht nur hohe Geldbußen sondern zusätzlich seinen Führerschein - sodenn man einen besitzt. Zwar gelten bei Alkohol am Lenkrad gewisse Promillegrenze, trotzdem kann die Polizei bei auffälliger Fahrweise schon ab einem Promille-Wert von 0,3 Strafanzeige erstatten. Sofern Ausfallerscheinungen wie z.B. Fahrfehler, Sturz, Unfall vorliegen, kann auch bei geringerer Alkoholisierung als 1.6 Promille eine Anklage vor Gericht erfolgen. Ein Ermessensspielraum, durch den das Herantrinken an theoretische Promille-Obergrenzen ein Riegel vorgeschoben werden soll.

Wird mit mehr als 1,6 Promille geradelt der kassiert im Flensburger-Punkteregister drei Punkte. Laut Bußgeldkatalog ist ab diesem Promillewert absolute Fahruntüchtigkeit gegeben, worauf die zuständige Straßenverkehrsbehörde eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen kann (Ermessensspielraum). Zudem wird eine saftige Geldstrafe verhängt. Betrunken Fahrrad zu fahren ist keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat, weswegen die Polizei dementsprechend Strafanzeige stellt. Steht ein Fahrradfahrer unter Drogeneinfluss, droht neben einer Strafanzeige ebenfalls eine MPU. Von dessen Prüfungsergebnis hängt es ab, ob die Fahrerlaubnis entzogen oder gar ein Radfahrverbot angeordnet wird. 

Drakonische Strafen drohen, wenn eine geschlossene Schranke am Bahndamm missachtet wird. Abgesehen von 350 Euro Geldbuße kassiert man für das Vergehen zs. 2 Punkte im Flensburger Punkteregister. Noch härter geht man mit Autofahrern ins Gericht. Wer mit einem KFZ trotz geschlos­sener Schranke den Bahn­übergang kreuzt, löhnt an den Fiskus 700 Euro und erhält darüber hinaus 2 Punkte + 3 Monate Fahrverbot.

Rote Ampel überfahren

Überfährt ein Radfahrer eine rote Ampel, wird der Rotlichtverstoß genauso geahndet wie bei Autofahrern. Die Höhe der Strafe hängt davon ab, welchen Zeitraum die Rotphase einnahm. Ist die Ampel just auf Rot gesprungen - also weniger als eine Sekunde - bei Überquerung, werden 60 Euro und ein Punkt fällig. Kommt es zu einem Unfall, erhöht sich die Strafe auf 120 Euro.

Zeigt die Ampel schon länger Rot (über 1 Sekunde) und der Radfahrer ignoriert es, verlangt der Gesetzgeber 100 Euro und trägt einen Punkt in das Fahreignungsregister ein. Kommt es zum Unfall, erhöht sich die Strafe auf 180 Euro.

Was geflissentlich unterschätzt wird: Punkteeinträge in Flensburg sind nicht zwingend abhängig vom Besitz eines Führerscheins. Wer mit dem Fahrrad wegen ordnungswidrigem Verhaltens zu viele Punkte sammelt, dem droht - wie dem KFZ-Lenker auch - entweder der Entzug der Fahrerlaubnis oder er bekommt für einen möglichen Führerscheinerwerb ernsthafte Probleme, diesen überhaupt ausgestellt zu bekommen.

Handy und Musik auf dem Fahrrad

Handy auf dem Fahrrad ist tabu und zwar auch dann, sobald es in die Hand genommen wird. 25 Euro Bußgeld sieht die StVO in diesem Fall vor. Wer auf dem Fahrrad dennoch telefonieren will, braucht ein Headset. Erlaubt ist außerdem, das Smartphone mit einer Halterung am Lenker zu befestigen, um es als Navigationsgerät zu nutzen.

Fahrradfahrer dürfen grundsätzlich beim Radeln Musik hören. Sie sollten allerdings darauf achten, die Verkehrssignale wie Klingeln, Hupen oder das Martinshorn neben der Musik wahrnehmen zu können. Behindert ein Fahrradfahrer wegen zu lauter Musik auf den Ohren einen anderen Verkehrsteilnehmer, droht ein Bußgeld von 15 Euro.

Mehrere Verstößen gleichzeitig

Fährt ein betrunkener Radfahrer mit überhöhter Geschwindigkeit und Handy am Ohr und über eine rote Ampel, nennt der Gesetzgeber das „Tateinheit“. In diesem Fall wird nur der schwerwiegendste Verstoß geahndet, was in diesem Beispiel die Trunkenheitsfahrt sein dürfte.

Gefährdung im Straßenverkehr

Eine Gefährdung im Straßenverkehr liegt vor, wenn das Fahrzeug nicht sicher geführt wird. Als Ursachen kommen sowohl der Konsum von Alkohol oder Drogen infrage als auch andere psychische oder physische Mängel. In der Folge muss Leib oder Leben eines anderen Menschen in Gefahr gebracht werden. § 315c des Strafgesetzbuches stellt die Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert damit auf eine Stufe. Die Grenze dafür liegt etwa bei 1300 Euro.

Abgesehen von den gesetzlich festgelegten Ursachen für eine Gefährdung im Straßenverkehr gibt es sieben Situationen, die ein rücksichtsloses Handeln in grob verkehrswidriger Weise voraussetzen. Diese besonders schweren Verstöße sind wegen ihrer Gleichgültigkeit anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber als die sieben "Todsünden" des Straßenverkehrs bekannt:

  • Nichtbeachten der Vorfahrt anderer Verkehrsteilnehmer
  • falsches Überholen oder sonstiges Falschfahren bei Überholvorgängen
  • falsches Heranfahren an einen Fußgängerüberweg
  • zu hohe Geschwindigkeit an Einmündungen, Kreuzungen, Bahnübergängen und unübersichtlichen Stellen
  • Missachtung des Rechtsfahrgebots an unübersichtlichen Stellen
  • Nichtbenutzung des Warndreiecks
  • Wenden, Rückwärtsfahren oder Fahren entgegen der Fahrtrichtung auf einer Autobahn oder Kraftstraße                                                       Achtung: Hier ist ausdrücklich auch der Versuch in den Tatbestand einbezogen.

Strafmaß bei einer Gefährdung 

Neben dem Bußgeld, eventuellen Punkten in Flensburg und daraus resultierenden Fahrverboten, können in einem gerichtlichen Verfahren auch eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren verhängt werden. Welche konkrete Strafe droht, der eine Gefährdung im Straßenverkehr verursacht hat, hängt von dem Verhalten in diesem bestimmten Fall ab und wird vom Richter entschieden. Eine Freiheitsstrafe wird in der Praxis aber nur sehr selten bei wirklich gravierendem oder wiederholtem Fehlverhalten verhängt. Bei Fahrlässigkeit anstelle von Vorsatz reduziert sich der Strafrahmen von möglichen 5 Jahren auf 2 Jahre Freiheitsstrafe.

Unterschied zwischen Gefährdung und Behinderung 

Wo der exakte Unterschied zwischen einer Gefährdung und einer bloßen Behinderung im Straßenverkehr liegt, ist für Laien nicht unbedingt ersichtlich. Die Wortwahl zeigt aber an, dass die Gefährdung deutlich schwerer wiegt als die Behinderung. 

Im Gegensatz zur Gefährdung wird bei der Behinderung nur die Bewegungsfreiheit eines anderen Verkehrsteilnehmers beeinträchtigt, d.h. weder Leib, Leben noch bedeutende Sachgüter anderer Menschen werden beeinflusst. Für die Ahndung einer Behinderung im Straßenverkehr wird allerdings zwischen vermeidbaren und unvermeidbaren Situationen unterschieden.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter bussgeldkataloge.de/gefaehrdung

Radfahrer, die Ordnungswidrigkeiten begehen, werden nach dem bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog bestraft. Der amtliche Bußgeldkatalog listet allerdings nicht sämtliche Ordnungswidrigkeiten von Radfahrern separat auf. Grundsätzlich gilt, dass Verkehrsverstöße, für die Kraftfahrer ein Bußgeld über 35 Euro zahlen, für Radfahrer und Fußgänger der halbe Regelsatz gilt. Darüber hinaus beträgt das Verwarnungsgeld für sie 15 Euro, sofern der Bußgeldkatalog nichts anders bestimmt. Zum Bußgeldbescheid (i.d.R. ab 60 Euro) addieren sich Gebühren und Zustellungskosten von 28,50 Euro hinzu. Ab dieser Bußgeldhöhe wird zudem 1 Punkt im Kraftfahrt-Zentralregister Flensburg eingetragen.

Verstöße und Bußgeldgelder für Radfahrer* 

Tatbestand Bußgeld Mit Behinderung  Mit Gefährdung  Mit Unfall  Punkte
Radweg nicht benutzt wie vorgeschrieben   20 Euro   25 Euro   30 Euro   35 Euro
Rad­weg in falscher Richtung (wenn andere Richtung vorhanden)   20 Euro   25 Euro   30 Euro   35 Euro
Linksseitigen Radweg vorschriftswidrig benutzt    55 Euro   70 Euro   80 Euro 100 Euro
Vorschriftswidrig Gehweg befahren   55 Euro   70 Euro   80 Euro 100 Euro
Nicht frei­gege­benen gekennzeichneten Gehweg/Fuß­gänger­zone befahren   25 Euro   30 Euro   35 Euro    40 Euro
Einbahnstraße oder Kreisverkehr vorschriftswidrig in falscher Richtung befahren   20 Euro   25 Euro     30 Euro   35 Euro
Mehr als Schrittgeschwindigkeit in freigegebener Fußgängerzone   15 Euro      35 Euro       -
Radfahr-Verbot missachtet   25 Euro   30 Euro   35 Euro 40 Euro
Trotz Schutzstreifen Rechtsfahrgebot missachtet   15 Euro   20 Euro   25 Euro 30 Euro
Verstoß gegen Rechtsfahrgebot    15 Euro    25 Euro       -       -
Fehler beim Linksabbiegen   15 Euro   20 Euro   25 Euro 30 Euro 
Beim Abbiegen keine Rücksicht auf Fußgänger         -    70 Euro       - 1
Nebeneinander fahren      20 Euro   25 Euro  30 Euro
Freihändig fahren     5 Euro      -        -       -
Mitnahme Kind ohne vorschriftsmäßige Sicherung     5 Euro      -        -       -
Mitnahme Person ab 7 Jahren auf einsitzigem Rad oder im Anhänger     5 Euro      -        -        - 
Vorgeschriebene Beleuchtung fehlt oder funktioniert nicht   20 Euro      -   25 Euro 35 Euro  
Beleuchtung bei Dunkelheit oder schlechter Sicht verschmutzt, verdeckt, nicht benutzt   20 Euro      25 Euro 35 Euro 
Klingel nicht vorhanden, nicht betriebsbereit oder nicht zulässig   15 Euro       -      -       -
Bremsen nicht vorhanden, nicht zulässig oder nicht betriebsbereit   10 Euro       -      -       -  
Fahrzeug nich verkehrssicher   80 Euro       -      -       -  
Anweisungen/Zeichen der Polizei missachtet    25 Euro       -      -       -  
Unzulässige Nutzung von elektronischen Geräten (Mobiltelefon)   55 Euro       -      -       -
Bei Rot an der Ampel gefahren   60 Euro        -  100 Euro 120 Euro jeweils 1
Ampel länger als 1 Sekunde rot 100 Euro       - 160 Euro 180 Euro jeweils 1
Grüner Pfeil: vor dem Abbiegen nicht anhalten   35 Euro   50 Euro   75 Euro       -
Geschlossene Schranke am Bahndamm missachtet 350 Euro       -      -       - 2
Zebrastreifen: Vorrang des Fußverkehrs missachtet   40 Euro       -      -       -
Fahren mit beeinträchtigtem Gehör durch Gerät (zu laute Kopfhörer)   15 Euro       -      -       -
*Bußgeld ab 9.11.2021; Quelle ADFC

Aktuelle Urteile aus der Praxis

Wer sich in der Führerschein-Probezeit befindet, sollte nicht nur mit dem KFZ sondern gleichsam auch mit dem Fahrrad vorschriftsmäßig (STVO) unterwegs sein. Verkehrsverstösse können eine Verlängerung der Probezeit, Bußgeld und/oder Aufbauseminar nach sich ziehen. So wurde einer Verkehrssünderin (sie befand sich in der Probezeit) wegen eines Rotlichtsverstosses, ein Bußgeld von € 45, ein Aufbauseminar sowie zweijährige Probezeitverlängerung aufgebrummt (Az. 3 L 571/13, Quelle www.focus.de).