Das Körpergewicht

Altbekannte Binsenweisheit: leichtere Zweiradfahrer müssen weniger Leistung erbringen um gleich schnell zu fahren als schwerere Aspiranten, was sich am Berg in Abhängigkeit der Steigung umso mehr auswirkt. Je steiler es hinauf geht, desto stärker muss Muskel- und Willenskraft der Hangabtriebskraft gegenhalten. Weil schmächtige Bergflöhe bei identischer Geschwindigkeit weniger Leistung als ihre beleibteren Kollegen benötigen, ziehen sie ihnen sang und klanglos davon. So schlägt z.B. ein Mehrgewicht von 5 kg an einem 10 km langen Anstieg mit 10 % Durchschnittssteigung bei derselben Leistungsentfaltung mit einem Fahrzeit-Plus von 4 min. zu Buche.

 Watt je Kilogramm - das Maß der Dinge

Die gewichtsbezogene Leistung ist der Quotient aus Leistung und Körpermasse. Vereinfacht ausgedrückt ist es jene Leistung, die in Relation zum Körpergewicht erbracht wird. Die Einheit "Watt/kg" gilt gemeinhin als aussagekräftiger Maßstab für die Leistungsfähigkeit. Sie ist im leistunsgorientierten Radsport ein elementarer Indikator, mit dem sich die Leistungsfähigkeit - insbesondere mittels FTP-Wert - unterschiedlicher Fahrer objektiv vergleichen lässt. Allerdings ist zwischen Flach- und Bergetappe zu differenzieren, da sich die Leistungfähigkeit unterschiedlich auswirkt. Was auf flacher Strecke für  schwerere Fahrer durch höhere Wattwerte ein Vorteil ist, stellt sich jedoch am Berg rasch als Nachteil heraus. Dort haben leichtgewichige Fahrer - in Abhängigkeit der Steigung - einen klaren Vorteil, da sie aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Schwerkraft mehr Watt in Relation zu ihrem Körpergewicht produzieren.

Um Aussagekraft über die Kletterfähigkeit zu erhalten, wird der Faktor Neigungswinkel (Steigungsprozente) in die Berechnung mit einbezogen. Eine Faustregel besagt, dass je Kilogramm, das man weniger auf den Rippen hat, etwa 7–9 Watt Leistung einspart. Als Maßeinheit (Schlüsselfaktor) gilt, wie viel Watt pro Kilogramm (Watt/kg) auf’s Pedal gedrückt werden. Der Quotient besagt, welche Leistung (gewichtsbereinigt) faktisch an der Kurbel ankommt. Schon bei fünf Prozent Steigung reduziert sich der Luftwiderstand in der Ebene von 85 % (Rollwiderstand 13%) auf klägliche 7,5% des Gesamtwiderstands. Dafür wirkt die Hangabtriebskraft (Gewichtskraft) umso dominanter. Bei 8% Steigung, sind allein 85% Antriebsleistung vonnöten, um nicht rückwärts zu rollen, wobei der Rollwiderstand linear zur Geschwindigkeit wächst. Die Hangabtriebskraft steigt mit zunehmendem Neigungswinkel der Ebene und ist bei 90° maximal (gleich der Gewichtskraft des Körpers). Je steiler also der Berg, desto mehr Kraft wird zum Hinaufrollen benötigt, bzw. desto langsamer geht's bergauf. Die erbrachte Gesamtleistung bemisst sich nach Wegstrecke, Steigungsgrad und der dafür benötigten Zeit (Watt). Extreme: ein Neigungswinkel von 90° entspricht dem freien Fall, während bei 0° keine schiefe Ebene existiert.  

Die Hangabtriebskraft (H; Maßeinheit Newton) ergibt sich aus der Gewichtskraft (G) des Körpers (Mensch + Rad + Gepäck) multipliziert mit dem Sinus des Neigungswinkels a:

H = G x sin(a)

Die Gewichtskraft eines Körpers entspricht der Erdanziehungs- bzw. Schwerkraft (Maßeinheit Newton). Diese berechnet sich aus der Masse m (umgangssprachlich Gewicht in kg) und der Erdbeschleunigung g= 9,81 m/s². G = m x g

Beispiel: ein Rennradler kurbelt bei einem Neigungswinkel von 10° (Körpergewicht 72 kg + Rad 7 kg + Gepäck 1 kg = Gesamtgewicht 80 kg ) bergwärts. Demzufolge ergibt sich eine Hangabtriebskraft von: H = 80 x 9,81 x sin(10°) = 136 N  

Seine Schwerkraft beträgt G = 80 x 9,81 = 785 N 

Ist der Neigungswinkel nicht bekannt bzw. unstetig, lässt sich dieser samt Hangabtriebskraft aus den Höhenmetern der schiefen Ebene h und ihrer Länge l durch Formelumstellung problemlos berechnen: sin (a) = h/l; daraus folgt: H = G x h/l

Jan Ullrich (71 kg) duellierte sich 1997 in L'Alpe d'Huez mit Marco Pantani (56 kg). Obwohl Jan Ullrich eine Durchschnittsleistung von 484 Watt gegenüber 403 Watt des Italieners erbrachte, konnte er seine 15 kg Mehrgewicht nicht kompensieren und hatte bei der Bergzeitwertung das Nachsehen.

Gewichtsoptimierung Mensch & Material

Wer sein Körpergewicht nicht nur mit derb bayerischem Humor hin nimmt: "Wann i mit meina Wamp’n kannt, na gangat i auf’d Kampenwand", sondern Berge schnappatmungsfrei locker flockig erklimmen möchte hat zwei Optionen. Entweder mehr Watt treten (fleißiger trainieren), oder diszipliniert abspecken (ausgewogen, kalorienbewusst ernähren). Am wirkungsvollsten ist es natürlich, an beiden Stellschrauben zu drehen.

Das Gewichtseinsparungspotential ist beim Körper naturgemäß um ein Vielfaches größer, als beim Material. Sündhaft teure Carbon-Boliden vermögen nur marginal ein Gewichtsmanko des Gesamtpackages auszugleichen. Auch wenn manch grammgeiziger Zeitgenosse seinem psychologischen Placebo-Effekt erliegt und tausende Euros hinblättert, dem gewichtsoptimierten Tuningpotenzial sind definitiv enge Grenzen gesetzt. Somit ist klar, wo der Hebel in Sachen Gewichtsoptimierung anzusetzen ist. Also: "Ran an den Speck"! Das ist gesünder, effizienter und obendrein viel billiger. Eidgenössische Steinböcke wissen ein Lied zu singen.... zum Kultvideo

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